Unterwegs

Die Küchenpsychologie des Reisens

Am Strand von Gijón
Am Strand von GijónReuters
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Wir begeistern uns nur für etwas, von dem wir uns gar nichts erwarten.

Es war so schön, dass ich heute noch ins Schwärmen gerate: eine laue Samstagnacht auf einer Freitreppe am Altstadtplatz in Gijón, umringt von Hunderten fröhlichen jungen Menschen, die sich auf asturische Art den Apfelwein aus kecker Höhe in die Becher gossen, damit er schön schäumt. Nein, das Glücksgefühl auf der „Spanischen Treppe“ war nicht den Mostschwaden geschuldet, die uns schon beim Einatmen mit einigen Promille versorgten. Der Grund des Entzückens: Es kam ganz unerwartet. Die nordspanische Industrie- und Hafenstadt wird von allen Reiseführern böse gebasht: als hässlich, stressig, laut – am besten, man weiche ihr in großem Bogen aus. Unser Kurzaufenthalt war denn auch nur einer logistischen Verlegenheit geschuldet.

Sicher: Gijón ist keine makellose Schönheit. Erst die düpierte negative Erwartungshaltung machte es zum Highlight. Wehe aber, man legt uns eine Destination in leuchtenden Farben ans Herz: Dann war die Vorfreude meist schon das Höchste der Gefühle. Deshalb hier ein paar Leseempfehlungen: Niemand schilderte London so abschreckend wie Heinrich Heine („diese kolossale Einförmigkeit erdrückt die Fantasie und zerreißt das Herz“). Clara Schumann zog unnachahmlich über Paris her: „In Gesellschaften hier ist es kaum auszuhalten. Die Franzosen sind mir furchtbar verhasst, diese Frivolität, das Nichtstun, das ist unglaublich!“ Charles Dickens riet eindringlich von Genua ab: „Schmutzig, verkommen, trostlos, traurig und enttäuschend.“ In diesem Sinne: Lesen Sie nach, fahren Sie hin – Sie werden es lieben!

karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Gabriel Rath

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2017)

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