Wer (wie ich) Reiseziele aus politischen Gründenboykottiert, kommt bald nur noch in Teufels Küche.
Ich bekenne an dieser Stelle eine persönliche Bizarrerie: Ich bin politisch hypersensibel. Wenn sich irgendwo auf der Welt die Wähler aus freien Stücken für gefährliche Extremisten, machtgierige Autokraten und peinliche Spinner entscheiden oder sonstigen schweren Unfug treiben, will ich dort nicht mehr hin.
Der Spleen begann mit Berlusconi, der mir Italien als Lieblingsland meiner Jugend vergällte. Auf meiner Sanktionsliste standen in seiner Ära nicht nur touristische Dienstleistungen, sondern auch Prosciutto und Parmesan. Heute engt sich mein Reiseradius bedenklich ein: USA geht nicht mehr wegen Trump, Russland scheitert an Putin, Erdoğan zwingt mich zum Türkei-Boykott.
Venezuela und Bolivien sind mir zu links, Polen und Ungarn zu rechts. Weil die Engländer Europa den Rücken kehren, wende ich mich schweren Herzens von ihrer grünen Insel ab. Solange die Katalanen verrücktspielen, sieht mich Barcelona nicht wieder. Oder ist das die falsche Reaktion? Gilt es, die Opposition zu stärken? Dann müsste ich freilich bei jedem Zimmer und Tisch, das ich reserviere, die Gretchenfrage stellen: „Seid ihr Separatisten, Brexit-Fans, huldigt ihr dem Herrscher? Dann betrachtet meine Anfrage als gegenstandslos.“
Weil man sich so als moralistischer Querulant gewiss keine Freunde macht, bleiben mir nur wenige unbedenkliche Destinationen. Oder echte Diktaturen wie Weißrussland, Kuba und China, deren wehrlosen Bewohnern ich vor Ort mein Beileid bekunde. Und die vage Hoffnung, dass mich einst Elon Musk mit seiner Touri-Rakete auf den politisch korrekten Mond schießt.
Nächste Woche: Gabriel Rath
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2017)