Unterwegs

Massen auf Urlaub

Die EU-Kommission hofft auf noch mehr Touristen aus China. Ob das an den Zielorten für Freude sorgt?

Sie werden es möglicherweise nicht bemerkt haben, aber heuer ist das „EU-China-Tourismusjahr“. Am 19. Jänner gab es in Venedig dessen feierliche Eröffnung, in ihrer Rede verlieh Binnenmarkt- und Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska ihrer Hoffnung Ausdruck, dass noch um zehn Prozent mehr chinesische Touristen Europa besuchen, als sie das bereits tun. „Das würde zumindest eine Milliarde Euro pro Jahr für die Wirtschaft der EU bedeuten“, fügte sie hinzu. Alle 28 Mitgliedstaaten nehmen an den Veranstaltungen und Geschäftstreffen im Rahmen dieses Unterfangens teil. Das ist kein Wunder: Der chinesische Tourist gibt heute mehr Geld aus als der amerikanische.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Förderung des chinesischen Tourismus in dieser Form eine gute Idee ist. Gewiss nimmt man sich vor, die Chinesen dazu zu animieren, nicht nur in der Hochsaison zu kommen und auch weniger bekannte Orte zu besuchen. Doch die meisten wollen nun einmal Venedig während des Karnevals sehen oder Paris im Sommer statt Waidhofen an der Ybbs im November. Und ob der Massentourismus tatsächlich eine „Gelegenheit für europäische und chinesische Gemeinschaften ist, einander besser kennen- und schätzen zu lernen“, wie es in den Unterlagen der Kommission heißt, möchte ich nach einem jüngsten Besuch in Sevilla bezweifeln. Die zahlreichen Gruppen chinesischer Reisender blieben dort streng unter sich und beschäftigten sich angestrengt mit ihren Smartphones. Ob das der kulturelle Austausch ist, den wir uns vom Reisen erhoffen?

oliver.grimm@diepresse.com

Nächste Woche: Timo Völker

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.