Unterwegs

Kein Geld macht nicht unglücklich

Leute spazieren im Regen auf der Promenade an der Mündung des Guadalquivir.
Leute spazieren im Regen auf der Promenade an der Mündung des Guadalquivir.(c) imago/ecomedia/robert fishman (Robert B. Fishman)
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Aus Sanlúcar kommen Sherry, Garnelen und eine eher unerwartete Lebensweisheit: Kein Geld macht nicht unglücklich.

Heute machen wir einen Ausflug nach Sanlúcar de Barrameda. Die andalusische Stadt an der Mündung des Guadalquivir ist in ganz Spanien für ihre statistischen Attraktionen bekannt: Sie hat das landesweit niedrigste Pro-Kopf-Einkommen, hält den nationalen Rekord bei der Arbeitslosigkeit (50 Prozent), und es wimmelt dort von Schulabbrechern. Ganz schön gruselig, was? Am besten die Wertsachen an die Brust pressen und betroffen dreinschauen. Aber dann das: ein quirliger Markt mit allen Herrlichkeiten aus Meer und Garten, fröhlich flanierende Menschen in einer adretten Altstadt, Lebensfreude pur.

Warum auch nicht? Die Sonne des Südens scheint, das Fest des Stadtheiligen naht, und bald geht es ab an den Strand. Nein, ich trage keine rosa Urlaubsbrille. Ich sauf auch nicht schon am Vormittag so viel Sherry, dass sich meine Urteilskraft in Nebel hüllt. Und ich bin erst recht kein Kreuzfahrttourist, der beim Landgang mit Folkloreshow auf den Schmäh von den „armen, aber glücklichen Eingeborenen“ reinfällt.

Stattdessen recherchiere ich: Ganz stimmen die Statistiken nicht, es gibt sehr viel Schwarzarbeit. Aber wer als Aushilfskellner oder Tagelöhner seine Stütze aufstockt, wird davon auch nicht reich. Also weicht der Grusel der Grübelei: Hier sind alle gelassen und gut drauf. Zu Hause im wohlhabenden Wien sind alle grantig und gehetzt. Also: Ist die echte Not gebannt, macht mehr Geld nicht glücklicher. Eher andersrum. Das ist meine eigene Statistik von Sanlúcar. Sie enthält einen Bauchfaktor und eine Herzkonstante. Aber sie stimmt.

karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Gabriel Rath

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2018)

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