Unterwegs

Von Sofia nach Amsterdam

(c) REUTERS (Stoyan Nenov)
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Eine Reise von Sofia nach Amsterdam illustriert die kulturellen Wurzeln von Wohlstand und Armut.

Mangels direkter Flüge von Brüssel nach Sofia (zumindest zu vernünftigen Preisen) reiste ich vorige Woche über Amsterdam zum informellen EU-Finanzministertreffen nach Bulgarien. Vor allem die Rückreise, samt siebenstündigem Aufenthalt in Amsterdam, war eine kleine Erinnerung daran, wie sehr Reichtum und Armut von Ländern und Städten Folge ihrer Geschichte sind – und wie eng die Grenzen dessen sind, was staatliche Entwicklungspolitik daran zu ändern vermag. Sofia hat gewiss enorme Fortschritte gemacht, seit Bulgarien vor elf Jahren Unionsmitglied wurde. Und dennoch umweht den Reisenden hier noch immer der üble Mief des real existierenden Sozialismus. Beispielhaft sei hier der Flughafen genannt, jener Ort, den Metropolen anderswo zum Aushängeschild ihrer Anziehungskraft zu machen pflegen. Von der EU wurde der zweite Terminal finanziert, doch wer die menschenleeren Flugsteige sieht, die ostblockhaften Bars und Geschäfte, der fragt sich: Wozu? Bedenklich schlecht ist es um das Englisch junger Menschen bestellt, dabei haben sie ihre Schulzeit als EU-Bürger verbracht. Wer Sofia mit Warschau vergleicht, erkennt, dass die Bulgaren heute ungefähr dort sind, wo die Polen vor 25 Jahren waren. Die Ankunft in Amsterdam, das Flanieren in den Gassen dieser Weltmetropole, rief mir jenes Zitat des US-Schriftstellers James Baldwin in Erinnerung, mit dem der Autor Russell Shorto sein hervorragendes Buch „Amsterdam: A History of The World's Most Liberal City“ ziert: „Die Menschen sind in der Geschichte gefangen – und die Geschichte in ihnen.“

oliver.grimm@diepresse.com


Nächste Woche: Timo Völker

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2018)

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