Unterwegs

Warum ich auf die digitale Revolution pfeife und immer noch kiloweise Bücher in den Koffer packe.

Was einem auf Reisen so alles über den Weg läuft

Gedanken sind frei. Bücher sind Gedanken und Gefühle, die man haltbar macht, indem man sie an papierene Seiten kettet und zwischen Buchdeckel presst. Aber nun ist ja das goldene Zeitalter des Digitalen angebrochen. Es hat unsere treuen Freunde aus ihrem Kerker geholt und aller Erdenschwere enthoben.

Heute tummeln sie sich zu Hunderten auf einem einzigen E-Reader, als Massen von Datensätzen in der schwerelosen Sphäre der Einsen und Nullen. Wie lächerlich erscheint es den Modernen, dass man einst wertvollen Wohnraum mit leibhaftigen Wälzern verstellt und für den Urlaub Kiloware in den Koffer gestopft hat. Wer das heute noch macht, muss schön blöd sein.

Ich bin schön blöd. Ich kaufe Druckwerke und schleppe mir auf Reisen den Buckel krumm. Weil ich ja im Voraus nicht weiß, zu welchem Band ich Liebesbande knüpfe, packe ich chronisch zu viele ein. Warum nur? Bei der Arbeit glotze ich den ganzen Tag auf Bildschirme, auch davon brauche ich eine Auszeit. Vor allem aber: Bücher sind mehr als gesammelte Informationen. Sie sind Wegbegleiter. Ein Amazon-Klick ersetzt mir nicht die Erinnerung an die Buchhandlung, in der ich meinen Liebling entdeckt habe. Der Grasfleck, das Eselsohr, der Geruch: All das weckt Welten auf. Literatur braucht eine Aura, ihre Kristallisation im greifbar Realen, um sich meiner Seele einzuprägen. Was ich dagegen als E-Book lese, ist uniform, verwechselbar, allzu rasch vergessen.

Wer das für sentimental hält, möge weiterblättern. Die mich verstehen, können meine Ergüsse ausschneiden und aufheben. Seid gegrüßt! Uns ist wirklich nicht zu helfen. ?

?karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Gabriel Rath

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2018)

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