Süße, heiße Luft

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Ob Kaiserin Sissi oder Salzburger Nockerln: Nichts verkauft sich an Gäste so gut wie süße, heiße Luft.

Frage ich Italiener oder Spanier, ob sie Wien kennen, kann ich ihre Antwort nie deuten. Soll das jetzt ein emphatisches „Si, si!“ sein? Oder doch ein euphorisches „Sissi!“ – weil sie nur eines mit dieser Stadt verbinden: Dort lebte diese Kaiserin, die Romy Schneider in diesem Musical spielte. Nein, in dem alten Film, das Musical kam erst später. Na, jedenfalls diese wunderschöne Frau von diesem zuckersüß hingehauchten „Fraaaanzl“.

Auch wenn solche Opfer der Populärkultur dann als Gäste vor Ort sind, interessiert sie nichts anderes: Sissis Palast (gemeint ist die Hofburg). Sissis Sommerschloss (vulgo Schönbrunn). Was von Sissi übrig blieb (Kapuzinergruft). Wenn die Zeit reicht: ihre Möbel (Hofmobiliendepot), Kutschen (Wagenburg) und Kleider (ebenda). In den Prater? Nur wenn ich verrate, dass Sissi dort ausritt. Belvedere? Da muss ich schon schamlos behaupten, Prinz Eugen sei ihr heimlicher Lover gewesen.

So weit der Wahn. Und nun zur Wahrheit: Kaiserin Elisabeth von Österreich war eine Nullnummer. Sie hatte formal nichts zu sagen und war zu schwach, um faktisch etwas zu bewegen. Ohne sie wäre die Weltgeschichte nicht um ein Jota anders verlaufen. Ganz im Gegensatz zur großartigen Maria Theresia („Wer bitte?“) oder Bertha von Suttner („Hä?“). Von Sissi lässt sich nur vermelden: Wenn sie sich nicht kämmen ließ, schrieb sie schlechte Gedichte. Im Übrigen war sie magersüchtig, frönte dem Fitnesskult und reiste ständig herum.

Insofern hoch modern, ich gebe es zu. Austria's best Topmodel. Und immer noch das Kronjuwel der heimischen Tourismusindustrie.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2019)

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