Mauer: Bei den Reben leben

Wiener Grätzel: Der Liesinger Bezirksteil Mauer hat sich noch seinen dörflichen Charakter erhalten. Doch die Begehrlichkeit nach Grundstücken und Wohnungen steigt stark.

So chic und nobel wie Hietzing oder Döbling gibt sich das am südwestlichen Stadtrand von Wien gelegene Mauer trotz einiger Villen und Promis nicht. Und darauf sind die Maurer stolz: „Wir sind immer rural geblieben“, sagt Christl Ayad von der Heimatrunde zufrieden über diesen Unterschied zum Nachbarbezirk. Und im gleichen Atemzug erzählt sie begeistert, dass in ihrer Kindheit hier auf einigen Wiesen noch Ziegen weideten.

So total rural wirkt Mauer heute nicht mehr. Aber das zwischen Liesing und Hietzing gelegene Grätzel hat doch einen gewissen dörflichen Charakter. Dazu trägt das Bild vom Hauptplatz und der anschließenden „Einkaufsmeile“ Geßlgasse bei, wo kleine, ländliche Häuser stehen. Mehr noch steckt das einstige Dorf allerdings in den Menschen hier. Beim Spazierengehen passiert es gar nicht so selten, dass man von Unbekannten freundlich gegrüßt wird, in der Trafik finden sich Nachbarn zum kleinen Tratsch und selbst im Supermarkt geht es um eine Spur weniger hektisch zu als in der Stadt.

Dabei ist es schon einige Zeit her, dass Mauer ein echtes Winzerdorf war. Im 19. Jahrhundert pflegten dort weit mehr als hundert Weinbauern ihre Rebstöcke. Die Wiener kamen auf Sommerfrische. Später, als die Dampftramway von Hietzing nach Mauer fuhr, entwickelte sich die einst eigenständige Gemeinde zum beliebten Ausflugsziel. Und die Wiener entdeckten Mauer als Ort zum Wohnen: Um die Wende zum 20. Jahrhundert ließen Wohlhabende die ersten Villen errichten.

Viel Grün, gute Infrastruktur

Heute gibt es in Mauer nur noch elf Weinbauern. Statt Rebflächen finden sich an den Abhängen des Wienerwaldes große Villen, von deren Terrassen man über ganz Wien sieht. Weiter unten wird die Verbauung dichter. Gepflegte Einfamilien- und Reihenhäuser sowie einige Wohnhausanlagen prägen das Bild. „Die Nachfrage sowohl nach Wohnungen als auch nach Häusern ist wesentlich größer als das Angebot“, erzählt Renate Turek, die im Zentrum von Mauer das Realitätenbüro von Remax betreibt.

Die Menschen, die hier leben, schätzen nicht nur die gepflegte und überschaubare Atmosphäre dieses Bezirksteils, sondern ebenso das viele Grün und dazu den in wenigen Minuten zu Fuß erreichbaren Wald. Für junge Familien zählt die Versorgung mit Schulen. Neben den öffentlichen Lehranstalten der Stadt Wien betreibt der Schulverein St. Ursula hier Volks-, Haupt- und Mittelschule, es gibt eine Rudolf-Steiner-Schule und in unmittelbarer Nähe befindet sich das renommierte Kollegium Kalksburg. Auch sonst passt die Infrastruktur: An Einkaufsmöglichkeiten bietet Mauer neben drei Super- und zwei Drogeriemärkten einige kleine Fachgeschäfte, die wiederum den Dorfcharakter unterstreichen. „Hier stehen die Unternehmer selbst in den Geschäften und versuchen mit Fachkenntnissen und einem individuellen Angebot zu punkten“, erzählt Helga Schmidtschläger, Obfrau der Maurer Kaufleute. Wem das nicht reicht: Das Liesinger Einkaufszentrum oder die SCS sind mit dem Auto in ein paar Minuten erreichbar. Nicht so gut schaut es mit Verkehrsverbindungen aus. Zwar liegt die Auffahrt Brunn mit den Autobahnen nach Süden, Osten und Westen nur etwa zehn Minuten entfernt. Ins Zentrum von Wien dauert es aber zwischen 30 und 45 Minuten. Ayads Tipp für die 20 Minuten Fahrt im 60iger bis zur U4 Hietzing: „Ein Buch mitnehmen und lesen!“

Starke Nachfrage, einiger Leerstand

Die Interessenten fürs Wohnen in Mauer scheinen die mangelnden Verkehrsverbindungen nicht zu stören: Die Preise stiegen in den letzten Jahren deutlich an. „Sie sind je nach Lage unterschiedlich, die Grundstückspreise bewegen sich bei 600 bis 700 Euro, in guten Lagen werden allerdings schon 1000 Euro verlangt“, erzählt Turek. Damit bewegen sich die Immobilienpreise in Mauer etwas unter dem Niveau von Hietzing: „Im Nachbarbezirk zahlt man manchmal für die noble Postleitzahl zusätzlich“, fügt die Immobilienexpertin, die selbst auf 30 Jahre Wohnerfahrung in Mauer zurückblicken kann, spitz hinzu.

Eine „noble“ Postleitzahl kann Mauer als Teil von Liesing nicht bieten. Dafür eine etwas andere Art von Noblesse: Trotz der guten Preise und der großen Nachfrage finden sich hier etliche unbebaute Grundstücke und leer stehende Häuser. „Das sind meist Immobilien im Familienbesitz, die man nicht verkauft, weil man das Geld nicht benötigt“, weiß Turek. Offensichtlich wollen die Maurer auch in Zukunft nicht chic und nobel werden . . .

Immobilien am Wienerwaldrand

Mauer gilt zwar nicht als ganz so noble Adresse wie etwa Hietzing, Grundstücke und Häuser erreichen aber auch hier ein stolzes Preisniveau.
Bei den Grundstücken bewegen sich die Preise zwischen 600 und 700 Euro pro Quadratmeter, bei Einfamilienhäusern mit sehr gutem Wohnwert muss man rund 3500 Euro/Quadratmeter auf den Tisch legen. Eigentumswohnungen im Erstbezug sind mit 3200 bis 3500 Euro pro Quadratmeter kaum günstiger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2013)

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