Papierleuchten: Die Leichtigkeit des Seins

Entwachsen. Die Tierkopf-Papierlampen von mostlikely entstanden zufällig.
Entwachsen. Die Tierkopf-Papierlampen von mostlikely entstanden zufällig.(c) mostlikely
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Lampenschirme aus Papier sind nicht immer gleich. Die Flexibilität des Materials fasziniert.

Es war ein ungewöhnlicher Start ins Produktdesign für das Wiener Architektur- und Designstudio mostlikely. Für eine Theaterproduktion hatte man probeweise Tierkopfmasken entworfen; Wolfgang List hatte sie zum Test aus Papier zusammengeklebt. Das Theater entschied sich gegen den Entwurf. Lists Probemaske lag ein Jahr lang im Büro herum – irgendwann schnitt er aber ein Loch hinein und hängte den Tierkopf aus Papier über eine Lampe. Den Kunden gefiel das. So gut, dass aus dem toten Projekt ein ziemlich lebendiger Lampenzoo wurde. Heute kann man bei mostlikely Do-it-yourself-Lampenkits bestellen, Pinguine, Katzen-, Esel- oder Hasenköpfe basteln und sie seiner Lampe des Vertrauens aufsetzen.

Dabei ist eine Lampe mit papierener Hülle eigentlich nichts Ungewöhnliches; Papierlampions entwickelte ein chinesischer Kriegsherr im zweiten Jahrhundert nach Christus. Und gefühlt schon seit damals baumeln runde Reispapierlampenkugeln über den Köpfen in Kinderzimmern. In die Studenten-WG nimmt man sie von dort aus meist auch noch mit. Sind Papierlampenschirme also so immergleich wie diese weißen Monde? Nein, sagt Wolfgang List, der es ja wissen muss.

Erblüht. Das Material der Issey-Miyake-Lampen für Artemide: recycelte PET-Flaschen.
Erblüht. Das Material der Issey-Miyake-Lampen für Artemide: recycelte PET-Flaschen.(c) Artemide

Auf der Suche nach dem passenden Papier für die Lampenschirme testete er mit seinen Kollegen die verschiedenen Sorten und bemerkte: Weiß ist nicht gleich weiß. Die verschiedenen Papierarten schenken warmes oder kaltes Licht, ein Farbenspiel. Bei mostlikely entschied man sich für gelb leuchtendes Papier – mittel- und nordeuropäische Kunden würden das Warme bevorzugen, meint List. Seine Tierköpfe sind zu kleben, der japanische Modeschöpfer Issey Miyake hat sich bei seinen Papierlampen für Artemide dazu entschlossen, die Flexibilität des Werkstoffs Papier zu betonen. Genauso machte es auch die Wiener Produktdesignerin Patrycja Domanska – wenn auch mit dem papierähnlichen Material Tyvek. Miyakes wie Domanskas Entwürfe sind Lampen für den Wanderer, für den Nomaden: faltbar, formbar, filigran. Mit diesen Eigenschaften sparen sie Platz, sind luftig und leicht.

Bewegliches Papier. Domanska ging dabei sogar so weit, ihre aktuelle Lampenschirmserie „Lampshades for Nomads“ zu taufen. Lampenschirme für Nomaden also. Auch wenn die Idee seltsam anmutet, eine Lampenhülle in den Koffer zu packen, hat Domanska damit ein Lebensgefühl aufgegriffen: die Leichtigkeit des Seins. Die wolkengleichen Hüllen (unkompliziert wie ein Turnbeutel konzipiert, denn an der Lampe befestigt werden sie mit einem Gummitunnelzug) entstehen aus dem Industriestoff Tyvek – Vlies aus Polyethylen. Aus Tyvek werden etwa jene weißen Anzüge geschneidert, die man häufig bei Fabriksführungen tragen muss: Fasern und Staub verliert das Material selbst nämlich kaum. Dabei ist es einem textilen Stoff vom Erscheinungsbild recht ähnlich – Domanska näht die Lampenschirme mit der Nähmaschine in ihrem Wiener Studio zusammen. Sie sind so verformbar wie Papier, nur wesentlich stabiler.

Erarbeitet. Patrycja Domanska näht Lampenschirme aus dem Vliesstoff Tyvek.
Erarbeitet. Patrycja Domanska näht Lampenschirme aus dem Vliesstoff Tyvek.(c) Beigestellt

Die Tyvek-Hüllen sehen aus wie aufgespannte weiße Blätter, mit feinen Adern und wild wuchernden Oberflächen – oder wie ein Gewitterhimmel voller grauer, zorniger Wolken, wenn die LED-Lampe, über die man sie stülpt, angeschaltet wird.

Beweglich sollen die Überstülpungen wirken, sagt Domanska über die „Lampshades for Nomads“. Das Material kann drapiert werden, verformt, gerafft – und bleibt dabei in stabiler Form. Was zu Beginn recht weiß und eben papieren wirkt, wird dadurch zum belebten Stoff, der weiterwachsen darf in den Händen seines Besitzers. Das Organische kann man dem Papier und seinen Verwandten wohl einfach nicht absprechen.

Tipp

„Dress A Bulb“. Patrycja Domanskas „Lampshades for Nomads“ sind noch bis zum 12. Juni in der Window Gallery im Wiener Stilwerk zu betrachten. Stilwerk.de

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