„Zeigen, dass man sich Verantwortung leisten kann“

Nachhaltigkeit kommt im Luxussegment häufig durch den großzügigen Einsatz von Holz zum Ausdruck. Im Bild: Haus D von Caramel Architekten.
Nachhaltigkeit kommt im Luxussegment häufig durch den großzügigen Einsatz von Holz zum Ausdruck. Im Bild: Haus D von Caramel Architekten.(c) Christian Sperr/Caramel Architekten
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Echte Materialien und Nachhaltigkeit sind gefragt. Und Komfort.

Ist das Budget nach oben offen, bleibt bei Immobilien Raum für neue Ideen und mutige Experimente. Sollte man zumindest meinen. Denn die Realität sieht meist anders aus: Gerade im hochpreisigen Segment wird oft wenig bis gar nicht experimentiert, sondern Schönem auf hohem Niveau vertraut – worunter ein Großteil der Bauherren heute eine klare, moderne Architektur versteht.

Wenig Experimentierfreude

Das hat vor 30 Jahren noch anders ausgesehen, „da war im Luxussegment der Kitzbühel-Stil gefragt“, weiß Architekt Thomas Moosmann. „Aber heute geht es eigentlich immer um moderne Architektur, nur noch wenige wollen das Heidelberger Schloss“, lacht er. Übergroße Experimentierfreude gäbe es aber trotzdem nicht, was möglicherweise damit zu tun habe, dass es sich bei diesen Objekten meist nicht um die einzige Immobilie handelt. „Wenn man mehrere Wohnungen oder Häuser besitzt, hat man oft nicht den gleichen Bezug dazu wie der klassische Häuslbauer, der sein ganzes Herzblut da drin hat“, so Moosmann.Was nicht heißt, dass sich gar keine Entwicklungen erkennen lassen, wie Herwig Spiegl, Mitbegründer der AllesWirdGut-Architekten, erklärt. „Dort, wo es finanziell möglich ist, geht es vielen heute schon darum, hochwertiger, nachhaltiger und verantwortungsvoller zu bauen“, so der Architekt. „Das lässt sich ein bisschen mit dem Bioessen vergleichen, bei dem man weiß, dass damit eine hohe Qualität, aber eben auch ein hoher Preis einhergeht.“ Eine Entwicklung, die auch die Makler und Entwickler erkannt haben, was sich daran ablesen lasse, dass häufig Begriffe wie Nachhaltigkeit inzwischen in den Beschreibungen hochwertiger Projekte vorkommen. „Das ist ein schöner, aber langsamer und schleichender Trend“, so Spiegl, „der zeigt, dass immer mehr verstanden haben, dass es beim Bauen um Identität geht. Die einerseits dadurch geschaffen wird, dass man die Umgebung einfließen lässt, aber auch ressourcenschonend mit heimischen Materialien wie Holz oder Lehm baut.“ Und auch bereit ist, den Preis dafür zu zahlen. Denn die hochwertigen, traditionellen Materialien können fraglos viel, ihre Verwendung kostet aber auch deutlich mehr, als die Wände mit Gipskarton verkleiden zu lassen. Hier wird die Handwerkskunst wiederentdeckt, findet ein Umdenken statt und hält ein neues Bewusstsein Einzug. „Dabei geht es nicht mehr darum, mit Glas und Stahl und goldenen Armaturen Geld zur Schau zu stellen“, meint Spiegl, „sondern darum, auf heimische Materialien zu setzen, die Wertschöpfungskette in der Region zu lassen, sich damit von der Masse abzugrenzen. Zu zeigen, dass man es sich leisten kann, Verantwortung zu übernehmen.“

Authentizität heißt das Stichwort auch beim Wohnen und den verwendeten Materialien, das Wort Furnier hat sich inzwischen zum Gottseibeiuns des gehobeneren Häuslbauers und -errichters entwickelt. „Materialien sollen echte Materialien sein, Beton soll Beton und als solcher auch sichtbar sein, und in einem Ganzholzgebäude ist eben alles aus Holz“, erklärt Günther Litzlbauer von Caramel-Architekten. „Und für diese Materialechtheit sind die Kunden auch bereit zu zahlen.“ Der andere große Baustoff ist nach wie vor Glas, Glas und nochmal Glas, ein Ende dieses Megatrends ist noch lang nicht in Sicht.

„Es wird einfach mörderisch viel Glas verbaut, weil es cool, schön und lässig ist, und vor allem bei den Dachausbauten die Aussicht etwas ist, was man zelebrieren will“, weiß Moosmann. Die damit verbundenen Einblicke dagegen eher weniger, wie Litzlbauer meint: „Alle haben gern einen Ausblick, aber keiner will einen Einblick“, so der Architekt über einen gängigen Widerspruch, für den Lösungen gefunden werden müssen. „Bei unserem jüngsten Projekt, einem Einfamilienhaus in der Nähe von Klosterneuburg, haben wir das durch schräge Lamellen vor den Fenstern gelöst, durch die man zwar vom Esstisch in den Garten, aber vom Nachbarhaus nicht hereinschauen kann.“

Das andere große Thema in Zusammenhang mit endlosen Glasflächen ist traditionell die Temperaturregelung. Und dabei werden – Nachhaltigkeit hin oder her – im Luxussegment keine Kompromisse gemacht. „Natürlich ist die Nachhaltigkeit ein schönes Thema, aber nur dann, wenn es den Komfort nicht einschränkt“, benennt Moosmann die Realität. „Und eine Klimaanlage wollen alle haben, so gut kann man gar nicht dämmen.“ Wenn sich allerdings Wege finden lassen, die das gute Gewissen und den Komfort miteinander verbinden, dann ist man inzwischen zumindest für neue Zugänge aufgeschlossen, wie Spiegl erklärt: „Das beginnt damit, dass man von Anfang an einen Energieplaner mithinzuzieht odersich auf Lowtech-Lösungen rückbesinnt.“ Dazu gehören beispielsweise dicke Mauern mit tief darin sitzenden Verglasungen, aber auch ein Kamin ist ein solches Element.

Wartungsfreie Fassaden

Fast gänzlich ausgedient haben in Zeiten der Materialechtheit die Vollwärmeschutzfassaden, die inzwischen durch Materialien wie Metall, Stein oder Holz ersetzt werden. Wobei auch hier oft die Devise gilt, dass sie keine Arbeit machen und damit den Komfort beeinträchtigen dürfen, wie Litzlbauer erklärt: „Bei Holzfassaden ist die Wartungsfreiheit ein großes Thema, da will man nicht streichen müssen“, so der Architekt. „Weshalb wir bei unserem Haus D jetzt mit einer vorvergrauten Tannenholzfassade gearbeitet haben, auf die eine spezielle Lasur aufgetragen wird, die sich mit den Jahren auswäscht und einen fließenden Übergang schafft“, erklärt er. Und manchmal gilt auch bei Luxusobjekten das Motto: Weniger ist mehr.

Derzeit findet das zum einen Anwendung, wenn es um die Anzahl der Schalter geht, die man bedienen muss, um die immer ausgeklügeltere Haustechnik zum Einsatz zu bringen: „Die müssen inzwischen möglichst einfach bedienbar sein und dürfen nicht mehr aus 20 Knöpfen, sondern nur noch aus einem bestehen“, so Litzlbauer. Und zum anderen bei der Größe: Denn die schiere Quadratmeterzahl der Luxusrefugien zumindest in den Städten nimmt seit ein paar Jahren ab. „Da sind häufig kleinere, gut ausgestattete, intelligente Wohnungen ein Thema, und am Wochenende fährt man dann in die gemeinschaftlich genutzte Mühle auf dem Land“, so Spiegl.(sma)

TRENDS

Besonders experimentierfreudig sind die Bauherren mit den großen, privaten Budgets nicht, was möglicherweise damit zu tun hat, dass hier das Herzblut nicht in einer einzigen Immobilie steckt, sondern meist mehrere Domizile vorhanden sind.
Eine wachsende Bedeutung kommt inzwischen aber der Materialechtheit und Nachhaltigkeit zu – zumindest solang damit keine Abstriche beim Komfort gemacht werden müssen.

(Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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