Tierische Herberge neu interpretiert

An der Fassade des Wohnhauses der Familie Breuer ist der einstige Verwendungszweck als Stallgebäude noch gut erkennbar.
An der Fassade des Wohnhauses der Familie Breuer ist der einstige Verwendungszweck als Stallgebäude noch gut erkennbar.(c) Breuer
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Wohnen im Stall. Wie gut es sich wohnen lässt, wo einst Ochs und Esel sich gute Nacht sagten, entdecken nicht nur Architekten, sondern auch Feriengäste und Unternehmer.

Die hohe Zeit der Stallromantik ist dieser Tage wieder angebrochen, die Symbolik des Ortes als Schutz spendende, wärmende Zuflucht zieht sich durch die Architektur fast aller Länder der Erde. Und das längst nicht mehr als Herberge für Bedürftige, sondern immer wieder auch als besonderes Projekt in der hochwertigen Architektur. Einstige Ställe werden zu Wohnhäusern oder Ferienimmobilien umgebaut, dienen als Poolhäuser oder Schauraum für Luxusartikel. Oder einfach als Zuhause für Menschen, die den Charakter dieser besonderen Orte schätzen und erhalten wollen.

Schwer zu bekommen

Einer davon ist Architekt Bernhard Breuer, der im vergangenen Jahr mit seiner Frau Rosa nach dreijährigen Umbauarbeiten in den Stall B in Vorarlberg eingezogen ist. Einen Kilometer von der Tschaggunser Kirche entfernt stand das rund hundert Jahre alte Nutzgebäude mitten unter Einfamilienhäusern, das dazugehörige Bauernhaus war bereits in den 1970er-Jahren abgerissen worden. „Als wir erfahren haben, dass das Objekt zum Verkauf steht, haben wir sofort zugegriffen, denn es ist heute wirklich schwer, einen Stall zu bekommen“, berichtet er. „Entweder gehören Ställe zu einem Bauernhof und werden landwirtschaftlich genutzt oder abgerissen, wenn das Grundstück verkauft wird.“

2012 begann Breuer dann mit der Verwandlung des Gebäudes, verpasste der Fassade ein paar zusätzliche Öffnungen, wobei aber die vorhandene Konstruktion genauso wie die strukturelle Klarheit der Fassade und des Innenraums weitgehend erhalten blieben. „Wir wollten unbedingt den Charakter des Hauses bewahren und auch räumlich dem Gebäude gerecht werden“, erzählt der Architekt. Deshalb wurde der vordere Bereich, in den einst die Fuhrwerke einfuhren, als zweigeschoßiger Wohnraum umgebaut, während auf dem ehemaligen Heuboden heute die Schlafzimmer zu finden sind. In allen Räumen sorgen helle Hölzer und freigelegte Steinmauern für klare Strukturen, aber auch eine warme Atmosphäre, wobei die teilweise eher dünnen Holzwände unter anderem dafür sorgen, dass man auch akustisch „wirklich miteinander lebt“, wie es Breuer formuliert. „Das ganze Haus war planerisch eine Herausforderung“, erinnert er sich, „mit sehr speziellen Zuschnitten von teilweise nur 2,40 Meter Breite, die mich als Architekten, der bewährte Grundrisse im Kopf hat, gezwungen haben, andere Wege zu gehen.“ Gelohnt haben sich diese für Breuer und seine Familie allemal: „Es ist schon ein besonderes Gefühl, in diesem Haus zu wohnen“, schwärmt er.

Dieses besondere Lebensgefühl in einem (ehemaligen) Stall lässt sich im Norden Deutschlands seit einiger Zeit auch für Vollzeitstädter komfortabel ausprobieren. „Schlafen mit Schafen“ heißt hier das Motto eines ungewöhnlichen Projekts, bei dem die Gäste eines Middenmank getauften Bauernhofs in Glaisin, Mecklenburg-Vorpommern, mit den tierischen Bewohnern unter einem Dach nächtigen. Bis 2011 wurden die typischen Häuser auf dem Hof renoviert, wobei einerseits die bäuerliche Substanz erhalten wurde, andererseits die Ferienwohnungen und das ehemalige Waschhaus in einer interessanten Mischung aus alten Balken und Böden mit modernen Möbeln gestaltet wurden.

Das gilt – bis auf die Möbel – auch für den Schafstall, in dem die tierischen Bewohner in einem ansprechenden Design aus hellen Heutönen und blau-grauen Wänden residieren. Glasflächen zu den Ferienwohnungen hin geben vor allem den jüngeren Gästen Gelegenheit zu beobachten, was sich im Schöpstall tut. Darüber hinaus können die tierischen Mitbewohner aber auch auf ihrer Weide, die Teil des 4300 Quadratmeter großen Grunds ist, besucht werden. Infos zu den sechs Ferienwohnungen rund um den Schaftstall und das Haus gibt es unter www.urlaubsarchitektur.de. (SMA)

(Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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