Parkett: Bodenschätze

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Das Wiener Designlabel Spolia lässt aus antikem Parkett Möbelstücke werden.

Das Unten hat es immer ein wenig schwerer als das Oben. Zumindest, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu bekommen. Roland Hemedinger schaut trotzdem viel auf den Boden. Vor allem, wenn er dort Holz vermutet. Dann decodiert und deutet er nicht nur die Zeichen der Kunst-, Handwerks- und Architekturgeschichte, die oft unbemerkt unter den Fußsohlen liegen, sondern beginnt fast wie von selbst zu schürfen, gedanklich. Nämlich jene Ideen, die man dem Alten für das Neue abringen könnte. Auch in Form von Möbeln, die aus antikem Parkett entstehen.

Wer so viel auf den Boden schaut wie Hemedinger, der kann auch einiges erzählen von einer „unterschätzten Ressource“, wie er sagt. Vor allem dem Tafelparkett gilt sein Augenmerk. Denn tief unter der durchschnittlichen menschlichen Augenhöhe, tief unter der gängigen Wahrnehmungsgrenze des Mainstream-Architektur-Publikums, liegen oft Schätze. Und Hemedinger birgt sie mit einer ganz konventionellen Strategie: „Immer die Augen offen halten“, sagt er. Solange, bis sich wieder die einen oder anderen Holzquadrate im Lager stapeln, wie etwa bei Händlern und Restauratoren wie Antiques Parquet, für die Hemedinger auch tätig ist.

och und höher. Aus ehemaligen Parkettböden werden Designobjekte. „Scattered Servant“.
och und höher. Aus ehemaligen Parkettböden werden Designobjekte. „Scattered Servant“.(c) Spolia

In früheren Zeiten waren sie die bauliche Grundlage für gehobene Wohnqualität, sie bedeckten Säle, Räume, Gänge. In den Schlössern und Palais der Adeligen genauso wie später in den Wohnungen des Bürgertums. In der Gründerzeit „war das Tafelparkett ein besonderes Ausstattungsmerkmal der Wohnungen“, erzählt Hemedinger. Wien wuchs in die Breite, die Gründerzeithäuser wuchsen in die Höhe. Und die Bauunternehmen und Manufakturen hatten plötzlich Tausende Quadratmeter Wohnfläche zu bedecken. Auch mit Tafelparkett, das neue Holzbearbeitungstechniken für die etwas feineren Häuser längst verfeinert hatte, vor allem auch ästhetisch. „Die Muster wurden damals vielfältiger“, sagt Hemedinger. Es war die gestalterische Blütezeit des Wiener Sternparketts. Doch auch zu noch viel verspielteren Ornamenten fügten sich Schmuckhölzer wie Ahorn oder Walnuss in der obersten Nutschicht der Holztafeln, die meist selbst aus Eiche waren. Doch antiker Boden hat im Regelfall einen kürzeren Lebenslauf als antike Mauern. Das typische Schicksal: Abriss oder Sanierung. Spätestens dann wird der Boden gern vom ästhetisch aufgeladenen, knarzenden atmosphärischen architektonischen Element zum Funktionsträger. Wenn die Fußbodenheizung rein will, muss der schöne Boden raus. Und dann wird der Stapel der Holzquadrate im Lager von Antique Parquet wieder höher.

Lückenfüller. Ursprünglich hatte Hemedinger die Holzquadrate hauptsächlich als Handelsressource betrachtet. Schließlich ist er als Antiquitäten- und Kunsthändler tätig. So hilft er mit, immer wieder Lücken im Boden mit historischem Parkett zu schließen, in einem denkmal­geschützten Haus hier, einem Schlösschen dort. Doch Hemedinger sah plötzlich noch eine ganz andere Ressource im alten Tafelparkett: das ästhetisch-gestalterische Potenzial. Vor allem in modernen, zeitgenössischen architektonischen Kontexten konnte er sich die alten Holztafeln vorstellen. Vielleicht sogar in gewagter visueller Verbindung mit Sichtbeton — warum nicht? „Es wäre einfach schön, wenn solche Materialien auch als Artefakte wahrgenommen werden.“

Der Tisch „Four to the Floor“, in limitierter Auflage. Unter www.spolia.at
Der Tisch „Four to the Floor“, in limitierter Auflage. Unter www.spolia.at(c) Spolia

Doch bis der durchschnittliche Einrichtungsgeschmack soweit ist, verfolgt Hemedinger lieber noch eine andere Idee. Gekommen war sie ihm, als er auf seinen ersten Stapel besonders schöner Parketttafeln blickte. Da dachte er: Das größte zusammenhängende Möbelstück des Raumes, das Parkett, könnte doch zur Basis für ganz neue Möbelstücke werden. Das alte Material wollte er nutzen, nicht um alte Zustände wiederherzustellen, sondern: Die Vergangenheit als Ressource für Neues zu nutzen – Möbel aus Parkett, in limitierter Auflage aus limitiertem Ausgangsmaterial.

Unter dem Namen „Spolia“ brachte er schließlich gemeinsam mit dem Designer François Gustin die erste Edition heraus: „Four to the floor“ heißt der Tisch, seine Materialgrundlage: das Parkett eines Wiener Ballsaals aus dem Jahr 1863. Jetzt dürfen die Teller, Gläser, Accessoires auf prototypischem Wiener Sternparkett tanzen. Oder auch einfach nur herumstehen. Danach folgten noch weitere Editionen. Wie etwa „The Bolognese“, eine Zusammenarbeit mit dem Designer Tino Valentinitsch, der ein Parkettrautenmuster gestalterisch nutzte, für ein Objekt, das nutzungsoffen ist: Hocker, Beistelltisch. Oder schlicht: stummer Geschichtenerzähler.

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Auf historischem Boden

Spätestens seit dem 17. Jahrhundert ist Parkett Teil der Innenarchitektur in den mittleren europäischen Breiten. Die Mutter des Tafelparketts liegt in seiner prototypischen Form wohl im Schloss Versailles, im Spiegelsaal. Allmählich verfeinerten sich die Bearbeitungstechniken und -möglichkeiten des Parkettbodens. Und schließlich bedeckten die gemusterten Holzböden auch Quadratmeter außerhalb adeliger Residenzen. Verschiedene Muster, Größen und Ausführungen gehörten im 19. Jahrhundert zum gängigen architektonischen Repertoire gehobener Wohnraumgestaltung. Gerade in Wien wurde gern das Sternparkett verlegt, auch in den zahlreichen während der Gründerzeit gebauten Häuser und Wohnungen des aufkommenden Bürgertums. In heutigen Architekturen hingegen ist der Boden oftmals eher Funktionsträger als ästhetisches Gestaltungselement. Zurzeit bemüht sich das Bundesdenkmalamt, den historischen Parkettböden mehr fachliche und restaurative Aufmerksamkeit zu schenken. Auch in Form von Ausstellungen. Wie etwa ab 27. Mai in der Kartause Mauerbach, eine Sonderschau zum Thema „Parkett“.
Auch Roland Hemedinger oder etwa das Unternehmen Antique Parquet haben Exponate und Expertise zur Ausstellung beigetragen. In der Ausstellung spannt sich der Bogen von einfachen ländlichen Dielen- bis hin zu aufwändig gestalteten Intarsienböden.

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