Lehm und Ton auf der Überholspur

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Mit dem Wunsch nach gesundem, angenehmem Raumklima steigt das Interesse an Naturmaterialien wie Lehm, Hanf und Stroh.

Die Bandbreite an alternativen Ökobaustoffen wird immer größer. Welche derzeit gefragt sind, weiß Baumeister Michael Dobrovits aus Markt Neuhodis im Burgenland, der seit Jahren mit natürlichen Baustoffen arbeitet. „Es hängt immer davon ab, wo der Baustoff eingebaut wird. Soll es schnell gehen, dann Einblasdämmung mit Zellulose.“ Hanffaser liegt ebenfalls stark im Trend, „etwa bei trittfesten Platten in Dachbereich und Fassade“. Beim Dachgeschoßausbau seien Zwischenwände und Böden aus Schafwolle von Vorteil. „Gefragt sind vor allem regional verfügbare Ökobaustoffe. Lange Transportwege, wie etwa für Kokos und Korkdämmung, lehne ich eher ab.“ Manche Materialien, die bei uns leicht verfügbar sind, tauchen dennoch selten auf dem Radar der Hausbauer und Sanierer auf – zum Beispiel Stroh.

Zu wenig Stroh im Kopf?

Gemessen an Frankreich und Deutschland ist Österreich beim Strohhausbau im Hintertreffen. Dabei entspricht die Kombination aus Holz, Stroh und Lehm genau dem Zeitgeist. Die meisten Strohhäuser werden nicht lasttragend gebaut, sondern mit Holzriegenkonstruktion. „Das ist nichts anderes als ein Holzbau mit alternativem Dämmmaterial“, weiß Andreas Scheidl, Baumeister und Geschäftsführer von Unser Strohhaus Bau in Eltendorf (Burgenland). Er beobachtet, dass vor allem die gehobene Mittelschicht für Stroh immer zugänglicher wird. „Es wirkt wärme- und schalldämmend, ist energieeffizient und in der Anschaffung enorm günstig“, so Scheidl, der aber gesteht, dass Strohbau mehr Arbeitszeit verlangt. Im Endeffekt liegen die Ausgaben im Bereich des Ziegelbaus. Ein Vergleich der Energiekennzahl gibt oft den Ausschlag: Strohbau ist um fünf bis zehn Prozent günstiger. „Der Dämmwert ist viel besser. Eine 44 cm Strohwandstärke erzielt einen U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient) von 0,10.Um auf diesen Wert zu kommen, müssten zu einem 25 cm Ziegel mindestens 30 cm Styropor hinzukommen.“

Dritte Haut

Auch Lehmputz und -bauplatten gewinnen immer mehr Anhänger. Wie den Vorarlberger Baumeister und Künstler Martin Rauch. Er erinnert an die jahrtausendalte Tradition des Baustoffs und bezeichnet Lehmputz gern als „dritte Haut“ des Menschen, „weil Lehm ein reines und antiseptisches Material ist“. Baumeister Dobrovits gilt als Experte für Lehmputze. „Der Baustoff kann Feuchtigkeit hervorragend aufnehmen und wieder abgeben, speichert Gerüche und eignet sich daher ideal für Bad oder Raucherzimmer.“ Weitere Vorteile sind gute Raumakustik und niedriges Staubaufkommen. Entscheidend sei die richtige Verarbeitung, am besten im Sommer. „Bei verschiedenen Untergründen und Wandheizungen muss der Lehmputz mit Glasseidengewebe oder Flachsgewebe armiert werden, um Risse zu vermeiden“, sagt Dobrovits. Gewissenhafte Unternehmen würden das den Kunden aber natürlich mitteilen, etwa „Sand und Lehm“, die ein umfangreiches Produktprogramm für Lehmputz etwa Lehmbauplatten als grüne Alternative zu Gipskartonplatten bietet.

Heilerde als Bauplatte

Klar im Aufwind ist Ton. Das Linzer Unternehmen Emoton beschäftigt sich schon lang mit dem Thema und ist für ihre Tonbauplatten bekannt geworden: Es gilt als Innovation für den wohngesunden Trockenbau. Die Platten sind schadstoffabsorbierend, feuchtigkeitsregulierend und laut Emoton wirtschaftlicher als etwa Lehmbauplatten. Denn sie bestehen aus Ton und feinen Zellulosefasern. „Diese Kombination potenziert die bautechnischen und raumklimatischen Eigenschaften. Die Platte enthält mehr Ton als Lehmputz, dadurch wird ein Vielfaches an Schadstoffen und Emissionen aus der Raumluft aufgenommen“, sagt Baubiologe Harald Dringenberg. Dass gesund nicht teuer sein muss, zeigt ein Blick auf die Preise. Tonbauplatten inklusive aller Materialien wie Befestigung, Fugenmasse, Gewebe sowie Oberfläche aus weißem Tonspachtel kosten rund 26 Euro netto pro Quadratmeter. „Viele bauchemische Produkte sind deutlich teurer“, weiß Dringenberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2017)

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