Liegt’s am kommenden Winter? An der kühleren Architektur? Fakt ist jedenfalls: Teppich ist wieder in. Auch bei jungen Designern.
16.01.2019 um 00:36
Optische Illusion. Begüm Cana Özgür entdeckte vor drei Jahren ihre Faszination für ein fast vergessenes Handwerk: die Weberei der türkischen Nomaden. „Wie jeder Mensch, der in der Türkei geboren wird und hier aufwächst, erinnere ich mich an unzählige Orte, die durch alte oder neue, handgemachte und daher wertvolle Teppiche verschönert wurden“, erzählt die türkische Designerin. Nach ihrem Studium an der Cranbrook Academy of Art in den USA gründete sie 2014 ihr Studio in Istanbul und entwickelte ihre Idee von Objekten als Geschichtenerzähler. „Ein gewebter Teppich kann dir eine lange Geschichte erzählen, wann er wo und wie von wem gemacht wurde. Unter welchen Umständen und für welchen Zweck. Die Antworten auf diese Fragen ergeben den Teppich.“ Für ihre Kollektion „Opticals“ spielt sie mit geometrischen Formen und optischen Illusionen. Ihre Entwürfe aus anatolischer Schafwolle entstehen im Experiment am Webstuhl und werden von anatolischen Webmeistern in bis zu vier Wochen umgesetzt.begumcanaozgur.com
Avsar Guelener
„R01“ ist der erste Teppich des Designduos Chmara Rosinke. „Wir wollten uns schon seit Längerem vom strikt Funktionalen lösen und mit dekorativen Objekten arbeiten“, sagt Maciej Chmara, der das Studio 2012 mit Ania Rosinke in Wien eröffnet hat. Durch einen Zufall gelangten sie an einen Teppichproduzenten, und bis zur Mailänder Möbelmesse im heurigen Frühjahr musste das Werk fertig sein. Geworden ist es ein modularer Teppich aus drei schweren Teilen, die unterschiedlich im Raum, am Boden oder an der Wand angeordnet werden können. „R01“ ist ein handgemachter, chinesischer Tuftteppich aus neuseeländischer Wolle und Viskose, der mit seinen geometrischen Formen die Fantasie anregt. chmararosinke.com
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Im Fokus der Arbeiten von Sisse Witek und Martyna Golik vom Studio Witek Golik steht das sinnliche Erleben. Die Designerinnen haben beide an der Royal Danish School of Design studiert und 2015 ihr Studio gegründet. Für ihre „Comfort Collection“ hat sich das in Kopenhagen ansässige Duo von alltäglichen Routinen inspirieren lassen und die Frage gestellt: Wie können Alltagsobjekte unsere Laune und unser Wohlgefühl beeinflussen? Entstanden ist eine modulare Kollektion aus drei Teppichen, deren sensorische Qualitäten – Aussehen und Haptik – die Designerinnen in den Vordergrund stellen. Die dreidimensionalen Muster schneiden Handwerker in die getufteten Teppiche aus neuseeländischer Wolle, jeder Teppich wird auf Vorbestellung produziert. www.witekgolik.com
(c) Andreas Omvik
Die „Open Rugs“ des Studios Plott von Mireille Burger und Rudi Boiten kommen aus dem 3-D-Drucker. Das niederländische Team mit Sitz in Eindhoven ist auf textiles Design spezialisiert und kombiniert traditionelles Handwerk mit neuer Technologie. Für „Open Rugs“ entwickelten Burger und Boiten einen eigenen 3-D-Drucker, der Objekte von mehreren Quadratmetern drucken kann. Die Teppiche mit geometrischen Mustern entstehen zuerst aus flexiblem Plastikgarn. Um ihnen mehr Körper, eine größere haptische, fühlbare Fläche zu geben, werden sie nach dem Druck mit textilen Fasern überzogen. Aufgrund des Materials und der vielen Freiflächen sind „Open Rugs“ äußerst flexibel und leicht. Die Jury des internationalen Nachwuchswettbewerbs „ein&zwanzig“, unter anderem mit Konstantin Grcic und Carole Baijings, kürte Studio Plott mit „Open Rugs“ heuer zu den „Besten der Besten“.studioplott.com
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Webkanten, die Überbleibsel der Webindustrie, sind die Basis von Salem van der Swaaghs Teppichen. „Ich fühle mich verpflichtet, taktile Produkte zu machen, die einen ökologischen und sozialen Einfluss haben“, sagt die Designerin. Ihre erste Kollektion aus vorwiegend weißer Wolle fertigt Sam, ein junger Mann, der aufgrund seines okulären Albinismus sehbehindert ist. „Er hat sich bei mir für eine Lehre beworben“, erzählt van der Swaagh. In einer Werkstatt in Berlin entstehen aus zahlreichen Schnipseln die handgefertigten Teppiche. Van der Swaagh stellt ihre Arbeit in einen größeren Zusammenhang: „Wir sehen eine große Lücke zwischen High-End-Design und dessen Entstehungsprozess. Wir möchten diese Lücke hinterfragen.“ An ihren Entwürfen liebt sie die Textur, die sich im Design widerspiegelt. „Es geht um die ästhetische Verbindung zum ursprünglichen Material. Deshalb mag ich es, Dinge zu entwerfen, die etwa wie ein Schaf aussehen.“ www.salemvanderswaagh.com
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Hinter Iota steckt israelische Frauenpower: Die Sozialunternehmerin Shula Mozes, die Designerin Tal Zur, die Textildesignerin Lion Ben Aroosh und die Architektin Dorit Chesler geben mit dem Designlabel Frauen an Orten mit hoher Arbeitslosigkeit und wenig Perspektive eine Chance. Mit Häkelnadeln, Wolle, Baumwolle, Acryl- oder Polyestergarn fertigen die Frauen Teppiche, Kleinmöbel und Wohnaccessoires. Die einzelnen Objekte werden nach den Frauen benannt, die Garne von Iota entworfen und entwickelt. „Wir glauben, die Menschen suchen ganz abgesehen von den unendlichen Möglichkeiten der Technologie etwas Persönliches und Einzigartiges, das emotionale und praktische Bedürfnisse erfüllt“, heißt es bei Iota. Aktuell arbeitet das Team vornehmlich mit Beduinen in Israel. Ziel ist es aber, Frauen auf der ganzen Welt das Handwerk zu lehren und ihnen eine Arbeits- und Verdienstmöglichkeit zu geben. Der Verkaufserlös der Iota-Objekte fließt zu einem Großteil in Wohlfahrts- und Bildungsprojekte. www.iotaproject.com
(c) Nelo Hagen
Fabelhaft flauschig
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