Mit drei Kulturschaffenden unterwegs im Sonnwendviertel

Künstlerduo Kozek Hörlonski (Peter Kozek, links, Thomas Hörl) und Doris Krüger im Helmut-Zilk-Park.
Künstlerduo Kozek Hörlonski (Peter Kozek, links, Thomas Hörl) und Doris Krüger im Helmut-Zilk-Park.(c) DIMO DIMOV
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Grätzelwalk. Was macht ein Golem am Hauptbahnhof? Warum darf man im Helmut-Zilk-Park keinen Ton brennen?

Zwischen Keplerplatz und Helmut-Zilk-Park liegen Welten. Mindestens zwei: alteingesessenes erdiges Favoriten mit Blockbebauung samt kleinem Spielplatz und alten Bäumen, dem Humboldtpark, dazwischen; auf dem Weg eine Gedenktafel für den 1939 zerstörten Humboldttempel am Haus Nr. 27. Über die Sonnwendgasse spaziert, öffnet sich der Blick zwischen neuen, funkelnden Wohnbauten mit jungem Grün, und ein paar Schritte weiter steht man im mit 70.000 Quadratmeter größten neuen innerstädtischen Park, den Sängerin Dagmar Koller im Juni in bester Wiener Tradition, als Ehrengast in einer Kutsche vorfahrend, eröffnete: Der nach ihrem Exmann und Wiener Bürgermeister (1984–1994) benannte Park soll als Kommunikations- und Freifläche des Sonnwendviertels und angrenzender Viertel fungieren.

„Früher war hier Niemandsland, am Ende der Rieplgasse hörte quasi die Stadt auf“, erzählt Thomas Hörl vom Künstlerduo Hozek Hörlonski. „Es gab Freiraum, und den wieder zu schaffen ist wichtig, vor allem für Kinder und Jugendliche“, so Doris Krüger von KÖR (Kunst im öffentlichen Raum). Schließlich erhält das Viertel viele neue Bewohner: Rund 1600 Wohnungen Richtung Keplerplatz sind fertig, auf der gegenüberliegenden Seite liegt Brachland, das noch verbaut wird. Insgesamt soll das Viertel rund 5000 neue Wohnungen beherbergen. Hozek Hörlonski ist mit einem Tour- und Workshop-Programm – samt fahrbarem Golem-Turm – unterwegs.

Funkelnde Fassaden

Im Werden ist alles, die jungen Bäumchen haben noch ihre Stützstangen, die Hausfassaden funkeln graffitilos, die Balkone tragen nirgends Sperrmüll zur Schau. Jedes Fleckchen heilen Rasens ist angesichts der Baustellennähe willkommen. Vielleicht liegt es (neben Schutzbestimmungen) auch daran, dass das Duo hier keine kleine Lehmgrube öffnen durfte, damit Besucher Lehmfiguren – Golems – formen und brennen können. „Nun haben wir eben einen Wagen und sind mobil mit den 850 Kilo Lehm unterwegs“, erzählt Peter Kozek, der Zweite im Duo. Der Figur aus der jüdischen Tradition wird durch Worte Leben eingehaucht – je weiser sein Schöpfer, umso geschickter der an sich „ungeschlachte Mensch“ –, und sie wird dann traditionell mit einem Auftrag in die Welt geschickt. „Die Besucher geben ihren Golems ihre Wünsche mit – die auch gesammelt und dokumentiert werden – und füllen so diese neue Welt zusätzlich mit Leben“, so Kozek.

Diese neue Welt in oft bunter Bauweise sieht nicht nur anders aus als Blockbebauung und „alte“ Kunst im öffentlichen Raum, etwa die Skulptur in der Feuerwache Favoriten. Auch die Idee dahinter ist eine andere: aufgelockert und freundlich, mit viel privatem Grün als Balkon oder Terrasse und vor allem offenen Erdgeschoßzonen, die mit Geschäften und Lokalen, Kindergarten, Tanzschule (für Kinder und Jugendliche), Fahrradwerkstadt, Fitnesscenter, Mehrzwecklokal und mehr für ein lebendiges Miteinander und einen unkomplizierten Alltag sorgen sollen.

Erdige Angelegenheit

Ob das Konzept aufgehen wird? So durchmischt wie Gebäude und Gegend sind auch Herkunft und Hoffnungen der neuen Bewohner. „Es ist ein Prozess, sich einen neuen Stadtteil anzueignen, und dazu spielt auch Kultur im öffentlichen Raum eine Rolle“, ist Krüger überzeugt. Auch in anderen Stadtgebieten unterstützt KÖR spezifische Aktionen. Der Golem-Turm durchwandert jedenfalls die neue Welt zwischen Hauptbahnhof, Quartier Belvedere, Sonnwendviertel, Arsenal und Wiedner Gürtel. „Die Lehmfiguren werden von uns gebrannt und bei einem Event den Besitzern zurückgegeben“, so Hörl. „Dass die Aufträge der Golems in Erfüllung gehen, können wir aber natürlich nicht garantieren.“

ZUM ORT, ZUR PERSON

Im Sonnwendviertel werden rund 5000 Wohnungen im Mix (Miete, Eigentum, mit und ohne Förderung) errichtet. Mit dem Quartier Belvedere bildet es die neue Wohngegend auf dem Gelände des ehemaligen Südbahnhofes.

Thomas Hörl und Peter Kozek arbeiten seit 2003 als Künstlerduo Kozek Hörlonski. Tourtermine (jeweils 16 bis 19.30 Uhr): 3. November, Karl-Popper-Straße/Gerhard-Bronner-Straße. 15. November, Haupteingang HBf (Markuslöwe), www.koer.or.at/projekte

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2017)

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