Liebe auf den zweiten Blick

Wohn- und Ateliergeschichte. Zimmer mit Aussicht: Illustratorin Laura Wolfsteiner lebt und werkt im obersten Stock eines Wohnhauses in Wien Hernals – nach aufwendiger Umgestaltung.

Schauplatz ist ein – jetzt – gemütliches Nest: 50 Quadratmeter groß, drei Meter Raumhöhe und Dachschrägen bis zum Boden in einem unspektakulären Neubau aus den 1990er-Jahren. „Es zählen aber die inneren Werte“, wie die Grafikerin und Illustratorin Laura Wolfsteiner lächelnd betont. „Der Dachboden war schon ausgebaut, als ich die Wohnung bezog. Ich arbeite bei jeder kleinsten Umbaumaßnahme mit einem Architekten zusammen. In diesem Fall mit meinem Vater, Johannes Wolfsteiner.“ Was natürlich gelegentlich zu Meinungsverschiedenheiten führen kann, in den allermeisten Fällen aber sehr hilfreich ist und gut funktioniert.

Neu, licht und weit

Dabei war es bei der Wohnung nicht Liebe auf den ersten Blick – sie zeigte sich bei der ersten Besichtigung nicht unbedingt von ihrer Sonnenseite: „Wir haben sie an einem wirklich tristen, grauen Wintertag mit Schneeregen besichtigt, dennoch war es dank der vier Dachflächenfenster, die sich aneinanderreihen, sehr hell in der Wohnung“, sagt Wolfsteiner beim Rundgang. „Allerdings war die Wohnung mit wirklich unvorteilhaften und wahnsinnig hässlichen Möbeln vollgestellt. Sie wirkte somit auch sehr klein.“

Das erste Ziel war es, möglichst viel Stauraum mit Einbauschränken zu erzeugen und dennoch die Wohnung geräumig und leicht wirken zu lassen – und das Ganze auf möglichst kostengünstigem Weg. Ein Bücherregal wurde nach Maß angefertigt, ein Heizkörperverbau geschaffen, ein drei Meter hoher Schrank eingebaut. Der Nierentisch stammt von einem Wiener Flohmarkt, die Thonet-Stühle hat der Großvater für sie gerettet, der Schafwollteppich ist von einer Teppichmanufaktur im Mühlviertel.
Der Rest – ein stimmiger Mix aus Flohmarkt, Altwarentandler und Selbstgemachtem. Auch der Küche – „Ich koche gern und sammle Porzellan und Geschirr, vorwiegend in Weiß“ – wurde eine Verjüngungskur verpasst: Die Fliesen und Plastikoberflächen wurden entfernt, ebenso wie die im Raum stehenden Hochschränke, der Dunstabzug wurde mit einem Kubus verkleidet und alle Küchenoberflächen wurden in Seekiefersperrholz gehüllt.

Ein Zimmer, zwei Türen

Der Vorteil der Einraumwohnung? „Die Tatsache, dass es nur zwei Türen gibt, die Eingangstür und jene ins Bad“, erzählt die Mieterin. „Dadurch wirkt alles sehr großzügig, vor allem in Kombination mit den großen Fenstern.“ Licht und Ausrichtung sind der größte Pluspunkt der Wohnung, denn sie ist immer hell und freundlich, ein ideales Refugium für Kreative: „Mein Beruf als Autorin und Illustratorin erlaubt es mir, von überall aus zu arbeiten, aber am besten kann ich mich hier konzentrieren. Ich arbeite dann sehr fokussiert, habe alles Nötige hier, und das Licht ist optimal.“ Für die Pausen ist im Sommer der südseitige Balkon da, um das bunte Leben und Treiben im Grätzel zu beobachten. „Auf dem Balkon habe ich Sonne von mittags bis abends, in der Früh scheint die Sonne ins Bett. In die eine Richtung sehe ich genau durch eine Häuserschneise hindurch zwei Innenhöfe weiter, das ist für Wien endlose Sicht. Auf der anderen Seite schaue ich Richtung Höhenstraße, ich fühle mich wie in einem Horst.“
Die gebürtige Oberösterreicherin hat sich im heterogenen Hernals gut eingelebt. „Der 17. ist ein bisschen wie eine Sozialstudie, hier kommen verschiedenste Gesellschaftsschichten zusammen und leben nebeneinander. Es gibt alles, elegante Villen weiter oben, kleine Häuschen, moderne Architektur und Gründerzeithäuser Richtung Gürtel.“ Besonders schätzt sie die Straßenbahnremise und ihr Stammwirtshaus, den Brandstetter in der Hernalser Hauptstraße. „Dort ist es so, wie ich mir Wien immer vorgestellt habe: gemütlich, unprätentiös, ein bisschen traurig und melancholisch.“ Man müsse hier nichts darstellen, könne so sein, wie man ist.

Und die Nachteile des Wohnens im „Elfenbeinturm“? Sicherlich die dünnen Wände, man höre, was bei den Nachbarn gerade so passiert, das wäre verzichtbar. „Und sicher auch die Tatsache, dass ich leider etwas hektisch eingezogen bin und zu ungeduldig war. Darum ist immer noch der Laminatboden da, Schande über mich!“

ZUM ORT, ZUR PERSON

Auf 50 m2 zu wohnen und zu arbeiten setzt eine gute Raumnutzung voraus. Fix eingebauter Stauraum in den Dachschrägen löste das Problem. Gebrauchte Eigentumswohnungen kosten im 17. Bezirk in guter/sehr guter Wohnlage zwischen 2165/2717 und 2907/3418 Euro/m2. Zur Miete wohnt man je nach Lage zwischen acht und 10,2 Euro/m2.

Laura Wolfsteiner ist als Illustratorin, Grafikerin und Autorin tätig. Sie setzte unter anderem „Wiener Wörter“ in Bilder um. www.laurawolfsteiner.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2018)

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