Brüllen die Bären jetzt wieder los?

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Die kurzzeitigen Rücksetzer an den Börsen erwischten zahlreiche Investoren auf dem falschen Fuß. Und werfen einmal mehr die Frage nach einer größeren Korrektur auf.

Wien. Gut eine Woche ist es nun her, dass die weltweiten Börsen wieder einmal von Turbulenzen heimgesucht wurden. Freilich, der letzte wirklich gröbere Rücksetzer liegt inzwischen schon wieder rund 500 Tage zurück – und zwar, als im Sommer 2016 das Brexit-Votum zahlreiche Investoren verunsichert hatte. Allein der S&P 500 war damals um mehr als fünf Prozent abgerutscht. Doch seither, also rund 500 Tage lang, habe es keine Rücksetzer in derartigem Ausmaß mehr gegeben, betont Johannes Müller, Leiter CIO Office Markets bei der Deutschen Asset Management, dieses nicht unwesentliche Faktum: „Das ist damit die zweitlängste derartige Episode seit 1970.“

Bleibt den Märkten bis zum 13. Dezember dieses Jahres weiter eine derartige Korrektur erspart, wäre das sogar die längste Bullen-Periode überhaupt.

Wären da zuletzt nicht eine Reihe negativer Schlagzeilen gewesen, die einige Investoren gehörig verunsichert haben. Allein vergangenen Montag hatte der US-amerikanische Mischkonzern General Electric (GE) überraschend die Halbierung der Dividende verkündet und einen Schock durch das Land gejagt (siehe auch den diesbezüglichen Dividendenartikel auf Seite 11). Erst vor zwei Wochen wurden sehr hohe Bestände an Indexfonds, die auf risikoreiche Hochzinsanleihen setzen, kräftig abverkauft. Und obendrein rückte zuletzt die Staatspleite Venezuelas immer näher.

Wirklich nachvollziehen kann Friedrich Strasser, Vorstandsmitglied der Bank Gutmann, die Nervosität dennoch nicht. Schlechte Nachrichten einzelner Gesellschaften gebe es immer wieder, auch wenn dies im Falle von GE ein drastischer Schritt für einen Blue-Chip-Konzern war, meint Strasser. Die mögliche Staatspleite Venezuelas sollte man außerdem nicht überbewerten, ergänzt Susanne Höllinger, Vorstandssitzende der Kathrein Privatbank. Die Befürchtungen gibt es schließlich schon länger, sie sind nicht neu. Und tatsächlich wurde die Pleite vorerst einmal abgewendet oder verschoben, weil Russland und China sich bereit erklärt haben, dem südamerikanischen Staat finanziell beizuspringen.

Keine Panik

Umso mehr Grund für Anleger, sich von den aktuellen Ereignissen nicht abschrecken zu lassen, meinen die Experten. „Korrekturen sind auf den Aktienmärkten immer möglich“, beruhigt Robert Karas, Leiter Asset Management bei der Schoellerbank. Was auch die Statistik belegt. Schließlich würden die globalen Aktienmärkte jährlich im Schnitt rund 15 Prozent vom jeweiligen Höchststand korrigieren. Das biete sogar Chancen, günstig zuzukaufen, rät Karas.

Die Korrekturen können aber recht unterschiedlich ausgeprägt sein. „Vor allem zyklische Branche wie zum Beispiel Rohstoffe, Industrie und Energie dürften bei einer Marktkorrektur stärker betroffen sein als etwa Versorgungsbetriebe oder Aktien aus dem Basiskonsumsektor und dem Gesundheitsbereich“, sagt Höllinger. Einen neuerlichen Bärenmarkt, sprich einen Rückgang von mehr als 20 Prozent, hält allerdings auch Höllinger derzeit für wenig wahrscheinlich, „da die Weltwirtschaft sich auf einem soliden Wachstumspfad befindet und die großen Notenbanken weiterhin unterstützend eingreifen werden“.

Umso mehr sollten Anleger bei einem Aktieninvestment einen langfristigen Anlagehorizont vor Augen haben. Eine denkbar schlechte Strategie sei es, den möglichen Zeitpunkt einer Korrektur erraten zu wollen, mahnt der Schoellerbank-Experte, und deshalb laufend ein- oder auszusteigen. In der Vergangenheit sei aufgrund verpasster Aufwärtsbewegungen mehr Geld verloren worden als durch Rückschläge. Dennoch hat man bei der Schoellerbank die Aktienquote bereits im März gesenkt. Schließlich sei die vorherrschende Marktstimmung zu optimistisch, die Bewertungen in vielen Bereichen des Aktienmarktes zu ambitioniert gewesen, räumt Karas ein.

Geografische Verschiebungen

In den Musterportfolios der Bank Gutmann bleiben Aktien übergewichtet, allerdings hat es eine Verschiebung von den USA hin zu Europa gegeben. Auch in Japan habe man das Engagement ein wenig erhöht. Schließlich liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis beim japanischen Topix bei 15,4, während es auf die kommenden zwölf Monate für den S&P auf 19,3 geschätzt wird. Beim Eurostoxx 50 sind es derzeit 15,2. Letzterer Markt ist somit am günstigsten. Allerdings seien die Aktienbewertungen insgesamt über den historischen Mittelwerten, hält Kathrein-Privatbank-Chefin Höllinger fest.

„Obendrein bevorzugen wir groß kapitalisierte Aktiengesellschaften“, betont Strasser. Schließlich sei es wichtig, auf gute Qualität gepaart mit einer hohen Liquidität zu achten, sonst könne es passieren, dass man in starken Korrekturen aus kleinen und damit oftmals weniger liquiden Titeln nur sehr schwer herauskomme.

Nummer sicher

Anleger, die ein Stück weiter auf Nummer sicher gehen wollen, könnten sich den Kauf von Put-Optionen überlegen. Diese Derivate wachsen im Wert, wenn der zugrundeliegende Basiswert (zum Beispiel ein Index oder eine Einzelaktie) sinkt. Dabei steigt der Wert von Optionen gehebelt, weshalb eine Absicherung bereits mit kleinen Summen möglich ist. Allerdings haben Optionen ein Ablaufdatum. Sollten die Märkte bis dahin – in diesem Fall – weiter steigen, verfallen die Optionen wertlos. Dann verlieren Anleger die kleine Kaufsumme. Jede Versicherung hat nun einmal auch ihren Preis. [ iStockphoto ]

Was Sie beachten sollten bei . . . . . . der Aktienauswahl

Tipp 1

Anlagehorizont. Auf den internationalen Aktienmärkten wird es immer wieder heftigere Rücksetzer geben. Umso wichtiger ist es deshalb, langfristig zu investieren – und nur mit jenem Geld, das man entsprechend entbehren kann. Je breiter das Portfolio über Branchen und Regionen gestreut ist, desto mehr wird dabei das Einzeltitelrisiko letztendlich minimiert.

Tipp 2

Timing. Anleger, die den richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkt an den Börsen zu erraten versuchen, laufen damit Gefahr, stets zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt zu handeln. Schließlich werden die Börsen nicht nur von harten Fakten, sondern auch von einer Menge Anlegerpsychologie angetrieben. Da kann es auch rasch zu Umschwüngen kommen.

Tipp 3

Strategie. Anstatt auf das Timing setzen zu wollen, sollten Anleger gleich von Beginn an mit ihren Beratern klar definieren, welches Risiko sie mit ihren Börseninvestments einzugehen bereit sind. Je höher die Risikoeinstufung dabei ausfällt, desto größer sind freilich die Ertragschancen. Damit einhergehend steigen meist aber auch die Kursschwankungen.

Tipp 4

Absicherung. Die simpelste Art, das Portfolio robuster aufzustellen, ist eine Streuung über etablierte Großkonzerne, obwohl das nicht immer vor Rücksetzern schützt, wie der Kursverlauf von General Electric gezeigt hat. Eine weitere Möglichkeit ist, den Anteil an sicheren Staatsanleihen zu erhöhen. Wer die nötigen Kenntnisse hat, kann auch auf Derivate zurückgreifen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2017)

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