Raus aus Europa, rein in die Schwellenländer

(c) Bloomberg (Michael Nagle)
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Emerging-Markets-Anleihen erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Das politische Risiko bei Staatsanleihen ist zwar höher als in Kerneuropa, doch wird man dafür wenigstens adäquat entschädigt.

Wien. In den vergangenen Jahren standen Schwellenländeranleihen nicht gerade in der Gunst der Anleger. Gründe dafür waren einerseits eine zyklische Abschwächung – 2015 war das fünfte Jahr in Folge mit abnehmendem Wachstum in den Schwellenländermärkten – und andererseits eine Reihe von Schocks, wie etwa politische Krisen. Die Folge: Investoren suchten ihr Glück lieber anderswo. Ein anderes Bild zeigt sich seit Jahresbeginn: Die Kapitalflüsse in die aufstrebenden Volkswirtschaften sind rasant gestiegen. Allein auf Privatanleger-Ebene sind heuer bislang rund 25 Milliarden Euro in Schwellenländeranleihen geflossen.

Sergey Dergachev, Senior Portfolio Manager bei der Union Investment, sieht eine Reihe von Gründen hinter der jüngsten Entwicklung. In Hartwährungen denominierte Staats- und Unternehmensanleihen haben seit Jahresbeginn um 15 bzw. neun Prozent zugelegt. „Nachdem es bei Schwellenländeranleihen im Vorjahr wegen Unsicherheit zu Abverkäufen gekommen ist, waren die Bewertungen Anfang 2016 tief – und im Vergleich zu anderen Assetklassen attraktiv“, sagt er. Psychologisch sehr wichtig für die Emerging Markets sei auch gewesen, dass der bis dahin fallende Ölpreis Mitte Februar einen Wendepunkt gefunden habe. Dazu kommt noch der relativ schwache US-Dollar.

Europa ist riskanter geworden

„Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken hat den Run auf attraktive Renditen gestärkt“, nennt Dergachev einen weiteren wesentlichen Grund für die Outperformance von Schwellenländeranleihen. Laut Hannes Boller, Senior Portfolio Manager bei Fisch Asset Management, suchen Anleiheinvestoren attraktive Alternativen bei adäquatem Risiko. Er verweist auf eine Studie von Barclays. Demnach rentiert über die Hälfte der festverzinslichen Anlagen weltweit unter einem Prozent Ablaufrendite (Ertrag des über eine gewisse Laufzeit angesparten Kapitals). Damit wird man nicht immer für das Risiko entschädigt.

„Im Nachgang des Brexit hat sich die Risikowahrnehmung von Investoren eindrücklich verschoben“, so Boller. Weiter sinkende risikolose Zinsen gepaart mit strukturellen Problemen in Europa hätten dazu geführt, dass die Nachfrage nach Renditelieferanten massiv gestiegen sei. Stichwort Brexit: Dergachev zeigt sich überrascht, dass Schwellenländeranleihen nach dem Ausgang des britischen EU-Referendums um fünf Prozent zugelegt haben. „Das zeigt, dass Anleger – vor den anstehenden Wahlen in Österreich und Italien sowie dem Superwahljahr 2017 in Europa – in Regionen investieren wollen, in denen sich das politische Risiko in fairen Aufschlägen widerspiegelt“, so der Experte.

Dergachev bevorzugt daher in Hartwährungen denominierte Schwellenländeranleihen. Wenn die Stimmung umschlägt, würden Lokalwährungsanleihen als Erste leiden. Bei ihnen sei die Volatilitätsgefahr größer. Die Entscheidung zwischen Unternehmens- und Staatsanleihen aus den Schwellenländern hänge von der persönlichen Risikoneigung ab. Sei man risikoavers eingestellt, so seien Unternehmensanleihen mit guter Bonität eine Option. In China und Indien fänden sich gute Unternehmen mit moderater Verschuldung, kurzer Duration sowie durchschnittlichen Renditen von 2,5 bis drei Prozent.

Sei man bereit, mehr Risiko einzugehen, würden sich zur Beimischung Staatsanleihen anbieten. „Die Emittentenländer stehen – mit wenigen Ausnahmen – sehr robust da“, so Dergachev. Hier würden sich die Renditen im Durchschnitt auf 5,5 Prozent belaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)


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