Der Fluch der sicheren Häfen

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Sicherheit. Deutsche Bundesanleihen sind extrem teuer geworden, Gold hat dagegen deutlich an Glanz verloren. Ursache ist, dass sich derzeit kaum jemand vor Inflation fürchtet.

Wien. Alle wollen Deutschland Geld borgen. Die Sorge um Griechenland hat am Montag die Rendite von zehnjährigen deutschen Bundesanleihen auf ein neues Rekordtief von weniger als 1,5Prozent fallen lassen. Wer ein solches Papier am Montagnachmittag kaufte, musste sich mit einer Rendite von 1,43Prozent begnügen.

Dass man damit heuer oder in den nächsten Jahren auch nur die Inflation wettmachen kann, gilt als unwahrscheinlich. Doch geht es den Anlegern darum gar nicht: Sie wollen ein sehr sicheres Investment – und solche sind in den vergangenen Monaten rar geworden.

Die Ursache für das Schrumpfen der Renditen (und das damit einhergehende Steigen der Preise) liegt nicht nur in der höheren Nachfrage, sondern vor allem im gesunkenen Angebot. Seit die USA ihr AAA-Rating verloren haben, habe sich das Angebot an sehr sicheren Anleihen auf weniger als die Hälfte reduziert, stellte Stefan Isaacs, Fondsmanager bei M&G, jüngst bei einem Vortrag in Wien fest. Eine wachsende Zahl von Investoren muss sich um einen kleineren Kuchen prügeln – wer deutsche Staatsanleihen will, muss entsprechend mehr dafür bezahlen.

Wenig Angebot an Anleihen

Auch andere relativ sichere Anleihen, etwa von den USA oder auch Österreich, haben sich verteuert. Viele Fonds und Pensionskassen haben die Vorgabe, einen bestimmten Anteil ihres Geldes in sichere Anleihen zu stecken, sie können also gar nicht ausweichen. Hinzu kommen demografische Aspekte: Viele Anleger sind ins Pensionsalter gekommen und wollen die Früchte ihres Vermögens ernten. „Der Aspekt Einkommen rückt in den Vordergrund“, stellt Isaacs fest. Der Aspekt Rendite spielt eine geringere Rolle. Und Staatsanleihen versprechen – im Gegensatz zu Aktieninvestments– regelmäßige, stabile Erträge.

Wer deutsche Staatsanleihen bis zum Laufzeitende hält, versenkt real Geld. Wer zwischenzeitlich handelt, konnte aber bis dato schöne Kursgewinne realisieren– denn sinkende Renditen bedeuten steigende Kurse. Experten schließen nicht aus, dass sich dieser Trend noch fortsetzt.

Die negativen Realrenditen könnten noch viel negativer werden, meint man bei M&G. Anleger, die bereit sind, mit ihren deutschen Staatsanleihen auch zu handeln, können sich mittelfristig auf weitere Kursgewinne einstellen – eben, weil die Nachfrage in Relation zum Angebot so stark ist.

Risiko Inflation

Vernünftig sei die Entwicklung längst nicht mehr, meint Philip Poole von HSBC Global Asset Management. Wenn sich an den Märkten eine Blase abzeichne, dann sei das am ehesten bei sicheren Staatsanleihen der Fall.

Einfahren würde man mit Staatsanleihen vor allem dann, wenn die Inflation stark steigt. Kurzfristig erwartet das zwar niemand, mittelfristig dürfte die Teuerung aber deutlich anziehen, da die Staaten Schulden abbauen müssen und das über eine höhere Inflation tun würden, meint Isaacs.

Er rät daher zu inflationsgebundenen Anleihen. Diese rechnen sich dann, wenn die Inflation höher ausfällt, als in den Anleihen eingepreist ist. Der Markt rechne derzeit mit keiner hohen Inflationsrate. „Dass die Inflation tatsächlich noch tiefer ausfällt, ist unwahrscheinlich“, sagt Isaacs.

Wer sich vor starker Inflation fürchtet, ist grundsätzlich mit realen Werten am besten dran. Solche sind Gold, Immobilien und Aktien. Gold galt lange Zeit als sicherer Hafen. Im Vorjahr profitierte der Goldpreis von der Flucht der Anleger in das glänzende Edelmetall, das als Inflationsschutz gilt. Inzwischen sind die Inflationsängste allerdings kleiner geworden, die US-Wirtschaft erholt sich, und der Dollar ist stärker geworden. Das lässt den Goldpreis schwächeln.

Nicht ins fallende Messer greifen

Im Jahresvergleich liegt der Goldpreis zwar vier Prozent im Plus, gegenüber dem nominellen Rekord bei mehr als 1900 Dollar je Feinunze im September 2011 hat er 18
Prozent (auf Eurobasis zehn Prozent) verloren.

„Die Anleger fürchten momentan eine Asset-Deflation“, stellt Erste-Analyst Ronald-Peter Stöferle fest – also dass der Preis für Vermögenswerte wie Gold nachgibt. Sollte es tatsächlich zu einem Zusammenbruch der Eurozone kommen, wären diese Sorgen auch berechtigt. Doch bewähre sich der Goldpreis – im Gegensatz zu anderen Rohstoffwerten – auch in Zeiten von Deflation gut. „In solchen Zeiten muss man Cash haben, und Gold wird dann als Cash betrachtet“, meint Stöferle. Er hält daher an der Empfehlung fest, fünf bis zehn Prozent des Vermögens in Gold zu halten.

Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch rät indes, nicht ins fallende Messer zu greifen. Kurzfristig könnte der Goldpreis noch weiter abrutschen, etwa auf 1520 Dollar – das Tief, das er vergangenen Dezember hatte. Am Montagnachmittag kostete eine Feinunze Gold (31,1 Gramm) 1561 Dollar (1215 Euro).

Was Sie beachten sollten bei . . . der Suche nach Sicherheit


Staatsanleihen und Gold galten lange Zeit als sichere Beimischung für jedes Portfolio. Doch seit ein paar Monaten schwächelt der Goldpreis, obwohl ihm Analysten langfristig Aufwärtspotenzial zutrauen. Bei deutschen Bundesanleihen ist es umgekehrt.

Tipp 1
Staatsanleihen. Deutsche Staatsanleihen sind extrem teuer, die Rendite ist niedrig wie nie zuvor. Auch von anderen „sicheren“ Ländern wie den USA oder Österreich erhält man deutlich weniger Zinsen als noch vor einem Jahr. Das freut jene Anleger, die viel mit Anleihen handeln. Sie können zwischenzeitliche Kursgewinne einfahren.

Tipp 2
Inflationsgeschützte Anleihen. Für Anleger, die Anleihen kaufen und bis zum Ende der Laufzeit liegen lassen, sind Staatsanleihen von „sicheren“ Ländern derzeit keine gute Wahl – zumindest, wenn es darum geht, ihr Geld vor der Entwertung zu retten. Wer mit steigender Inflation rechnet, kann alternativ zu inflationsgeschützten Papieren greifen.

Tipp 3
Gold. Reale Werte wie Gold sollen ebenfalls vor Inflation schützen. Das Problem: Momentan fürchtet sich niemand so richtig vor Inflation, was dem Goldpreis ziemlich zusetzt. Langfristig sollte es mit dem glänzenden Edelmetall zwar wieder nach oben gehen, kurzfristig raten die meisten Experten aber dazu, nicht in einem Negativtrend zu kaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2012)

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