Kredite: Viele Irrtümer über Verbraucherrechte

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Ein Gesetz für Hypothekar- und Immobilienkredite kommt. Dieser Bereich wird künftig gesondert geregelt. Indes zeigt eine Studie, dass viele Kreditnehmer auch ihre längst geltenden Verbraucherrechte nicht kennen.

Wien. Österreich bekommt ein Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz. Ein Entwurf dafür passierte vergangene Woche den Nationalrat. Die österreichischen Regelungen werden dadurch an EU-Standards angepasst. Das Verbraucherkreditgesetz, das bisher auch bei Hypothekar- und Immobilienkrediten zur Anwendung kam, gilt künftig für diesen Bereich nicht mehr.

Die Neuregelung betrifft alle hypothekarisch besicherten Kredite, egal, zu welchem Zweck diese aufgenommen werden, und alle Kredite zum Erwerb einer Liegenschaft. Aus Konsumentensicht sind die Änderungen im Vergleich zum bisher auch dafür geltenden Verbraucherkreditrecht nicht allzu gravierend. Vor allem geht es, wie so oft, um Formalitäten.

Insbesondere kommen auf Kreditgeber und Kreditvermittler umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten zu, für die es standardisierte Formulare geben wird. Auch für die Kreditwürdigkeitsprüfung, die vor der Vergabe einer Finanzierung durchgeführt werden muss, werden Standards vorgegeben. Verbraucher bekommen außerdem nach Erhalt des Kreditangebots sieben Tage Bedenkzeit – so lange muss das Angebot des Kreditgebers verbindlich bleiben.

Außerdem soll dem Kunden ein Rücktrittsrecht zustehen, wenn er seine Vertragserklärung schon kurz nach Erhalt der vorvertraglichen Informationen abgegeben hat. Nach derzeitiger Rechtslage gibt es bei Hypothekarkrediten – wie auch bei den meisten Leasingverträgen – anders als bei anderen Verbraucherkrediten kein Rücktrittsrecht.

Eine weitere Regelung betrifft die vorzeitige Rückzahlung: Diese muss grundsätzlich bei jedem Verbraucherkredit möglich sein. Bei Hypothekarkrediten kann dafür aber eine Kündigungsfrist von höchstens sechs Monaten oder bis zum Ablauf einer Periode mit festem Sollzinssatz vereinbart werden. Hält der Kreditnehmer eine solche Kündigungsfrist nicht ein, kann der Kreditgeber für den nicht eingehaltenen Teil der Frist eine Entschädigung verlangen. Neu ist das nicht: Hier wurden die schon bisher im Verbraucherkreditgesetz für Hypothekarkreditverträge enthaltenen Sonderregelungen in das neue Gesetz übernommen.

Zu wenig Finanzwissen

Stichwort Verbraucherkreditgesetz: Mit diesem beschäftigte sich kürzlich eine Expertenrunde bestehend aus Konsumentenschützern und Bankenvertretern, unter anderem aus Sozialministerium, VKI, Arbeiterkammer und Bankenverband. Diskutiert wurde auf Einladung der Santander Consumer Bank über Verbraucherkreditrechte und Finanzbildung. Über einen Punkt war man sich einig: Der Nachholbedarf bei der Finanzbildung ist beträchtlich. Zum gleichen Ergebnis kam auch eine heuer veröffentlichte Studie der EU: Demnach wissen nur elf Prozent über ihre Rechte als Kreditnehmer im Detail Bescheid, nur 18 Prozent fühlen sich über die Bedingungen ihres Kreditvertrags gut informiert. Und fast 50 Prozent meinen, sie seien durch das Gesetz nicht wirklich gut geschützt. Die EU-Kommission initiierte deshalb eine Informationskampagne, die noch bis Februar 2016 läuft. Man wolle Kreditnehmer auch stärker zum Vergleichen von Angeboten motivieren, heißt es seitens der EU.

Was sind nun die wesentlichen Rechte, über die Kreditnehmer immer noch zu wenig Bescheid wissen? Zum Beispiel betrifft das die Bedingungen, unter denen man vorzeitig aus einem Kreditvertrag aussteigen kann. 21 Prozent der in Österreich für die EU-Studie Befragten wussten nicht einmal, dass man dieses Recht überhaupt hat.

Konkret gilt für den vorzeitigen Ausstieg Folgendes: Der Kunde darf den Kredit jederzeit zur Gänze oder teilweise zurückzahlen. Bei variablem Zinssatz steht dem Kreditgeber dafür keine Entschädigung zu, bei fix verzinsten Krediten dann nicht, wenn innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nicht mehr als 10.000 Euro zurückgezahlt werden. Auch wenn eine Versicherungsleistung als Tilgungsträger dient und der Kredit damit früher als vereinbart zurückgezahlt wird, darf der Kreditnehmer keine Entschädigung verlangen. Bei Krediten, die in Form von Überziehungen gewährt werden, ist das ebenfalls ausgeschlossen. Für die Höhe der Entschädigung gibt es außerdem gesetzliche Grenzen, die davon abhängen, um wie viel zu früh zurückgezahlt wird.

Im Rahmen der Studie wurde auch abgefragt, ob es richtig oder falsch sei, dass Verbraucher innerhalb von 14 Kalendertagen ohne Angabe von Gründen von einem Kreditvertrag zurücktreten können. 35 Prozent tippten auf „falsch“ – und lagen damit falsch (zumindest für nicht mit Hypotheken besicherte Verbraucherkredite, siehe oben).

Gut ein Fünftel zahlt gern Raten

Am weitaus besten wussten die Verbraucher über Formalismen Bescheid: Dass ihnen vor Aufnahme eines Kredits ein Standarddokument mit den wichtigsten Informationen ausgehändigt werden muss, beantworteten 92 Prozent richtig. Aber: Von jenen, die schon einen Kredit aufgenommen haben, haben 24 Prozent nach eigenen Angaben die Vertragsbedingungen nie gelesen. 38 Prozent lasen sie nur zum Teil.

Teilweise verblüffend sind die Gründe, aus denen Leute überhaupt Kredite aufnehmen. Zwar geht es meist um die Möglichkeit, Anschaffungen zu tätigen, die sonst nicht möglich wären – aber längst nicht immer. Acht Prozent der Befragten gaben an, im Kredit eine „Möglichkeit zu sehen, ihre Geldmittel zu verwalten“. 21 Prozent meinten, sie zahlen bei großen Anschaffungen eben lieber Raten. Eine teure Vorliebe, selbst in Zeiten des Zinsentiefs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2015)

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