„Kunst bringt soziales Prestige“

bdquoKunst bringt soziales Prestigeldquo
bdquoKunst bringt soziales Prestigeldquo
  • Drucken

Interview. Die Inhaber des Auktionshauses Kinsky, Ernst Ploil und Michael Kovacek, erzählen, wie sie dem damals „öden Staatsbetrieb“ Dorotheum Konkurrenz machten und warum der Tod der beste Kunstlieferant ist.

Die Presse: Sie haben das Auktionshaus „Im Kinsky“ Anfang der 1990er-Jahre gegründet. Was waren Ihre Beweggründe?

Ernst Ploil: Ich sammle seit vielen Jahrzehnten Kunst. Einer jener Kunsthändler, die ich regelmäßig frequentiert habe, war Michael Kovacek. Vor mehr als 20 Jahren haben wir darüber nachgedacht, dass es ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein müsste, Kunstauktionen zu betreiben. Vor allem, weil das Dorotheum damals ein öder Staatsbetrieb war. Das Problem war jedoch, dass die zentrale Büroarbeit niemand von uns erledigen wollte. Aber dann kam Otto Hans Ressler ins Spiel, als er aus dem Dorotheum ausgeschieden ist. Auf meine Frage, was er vorhabe, meinte er, mit dem Gedanken zu spielen, ein Auktionshaus zu gründen. Dann meinte ich: Gut, denn ich kenne ein paar Leute, die die gleichen Interessen haben.

Wie viel Geld mussten Sie in die Hand nehmen, um Ihr Projekt zu finanzieren?

Michael Kovacek: Es war als Verlustbeteiligungsmodell geplant, weil wir angenommen haben, dass es zu hohen Anlaufkosten kommt.

Ploil:Wir haben zusammen zwei Millionen Schilling einbezahlt. Wir haben geglaubt, dass wir das Geld in den ersten drei Jahren aufbrauchen werden. Wir wussten nicht, ob das Gewinn bringen wird oder nicht.

Kovacek:Nach der ersten Auktion wussten wir aber, dass das Geschäft funktioniert.

Ploil:Das Verlustbeteiligungsmodell war also ein Fehlschlag.

Und woher kamen die Kunstwerke für die erste Auktion?

Kovacek: Die Akquisition für die erste Auktion war überhaupt kein Problem, weil der frische Wind am Auktionsmarkt für alle spannend war. Da haben wir unglaublich tolle Ware bekommen.

Und war das in weiterer Folge auch so?

Kovacek:Nein, weil die Leute nicht gern gute Qualität verkaufen.

Ploil:Die Auktionshäuser sprechen von den berühmten drei D: Death, Default, Divorce (Tod, Bankrott, Scheidung). Da sind die Ursachen, warum Kunst auf den Markt kommt. Diese Beweggründe zum Verkauf existieren wie eh und je.

Das heißt, die guten Dinge bekommt man nur durch solche Anlässe.

Ploil: Nicht nur, aber häufig.

Kovacek: Die guten Dinge bekommen wir, weil wir uns auf hohe Qualität spezialisiert haben. Wir bemühen uns, nur qualitativ hochwertige und hochpreisige Ware zu nehmen. Das kleine Team, das wir hier haben, kann gar nicht tausende Stücke bearbeiten.

Wenn jemand eine Sammlung erbt, dann nehmen Sie nicht alle Werke?

Kovacek: Nein, wir nehmen nur Teile davon. Die, die gut sind. Sonst hätte es auch keinen Sinn.

Gab es in den letzten 20 Jahren auch schlechte Jahre für Ihr Haus?

Ploil: Es gab schlechte Jahre, wenn man darunter versteht, dass ein Geschäftsjahr weniger gut war als das Vorjahr. Aber wir hatten kein einziges Jahr mit Verlust.

Sie sind also konjunkturunabhängig?

Ploil: Kunsthandel entwickelt sich antizyklisch. Die Rede von der Flucht in die Sachwerte trifft auf das Auktionsgeschäft ganz besonders zu. Unsere Kunden haben genug Geld, um es zu veranlagen. Kunst erfüllt viele Bedürfnisse: Man hat eine Sicherheit bei der Veranlagung, einen einigermaßen sicheren Wiederverkaufserlös, man hat Freude daran und soziales Prestige. Das ist nicht zu unterschätzen, wenn jemand kommt und sagt: Jö, was hast du da für Kostbarkeiten? Das ist eine Methode, seinen Reichtum zu zeigen, ohne wirklich zu prahlen.

Haben Sie auch Kunden, die Kunst nur zu Anlagezwecken kaufen?

Kovacek: Wirklich nur als Anlageobjekt – da kenne ich gottseidank kaum jemanden. Das wäre nicht das Richtige. Natürlich ist Kunst eine Geldanlage. Aber sie wird in den wenigsten Fällen ausschließlich als Anlage gekauft. Vielleicht bei den Gegenständen, die zehn, zwanzig oder fünfzig Millionen Euro kosten.

Ploil: Wenn ein Kunstkäufer hierzulande fragt: „Wie schnell verdiene ich mein Geld zurück?“, müsste man ehrlich sagen: Garantie gibt es keine, man muss Handelsspanne und Umsatzsteuer zurückverdienen. Vor einem Ablauf von fünf bis acht Jahren – selbst wenn wir eine Wertsteigerung von zehn Prozent jährlich unterstellen – geht nichts.

Wenn jemand etwas bei Ihnen kauft und nach drei Jahren verkaufen will, werden Sie dann skeptisch, weil die Person spekulieren könnte?

Ploil: Nein. Wir freuen uns, aber wir können nicht garantieren, dass er das, was er aufgewendet hat, wieder bekommt.

Kovacek: Malerei kann auch aus der Mode kommen. Das beste Beispiel sind die Phantastischen Realisten, die hierzulande einst Unsummen kosteten. Heute bekommt man das nicht mehr.

Ersteigern Sie manchmal selbst Bilder?

Kovacek: Wir haben beide schöne Dinge zu Hause, und wenn Sachen kommen, die einem persönlich gefallen, kann man in einer öffentlichen Auktion ja auch für die eigene Sammlung etwas erwerben.

Bekommen Sie denn einen Rabatt?

Kovacek: Wir gönnen uns selbst nur einen minimalen Abschlag in der Käuferprovision. Unser Unternehmen geht vor, es braucht die Einnahmen.

Wo liegt für Sie die preisliche Schmerzgrenze?

Ploil: Ich bin mit Leib und Seele Sammler. Eines der ersten Stücke, das ich gekauft habe, hat dazu geführt, dass meine Eltern monatelang nicht mehr mit mir geredet haben. Sie haben gedacht, ich bin verrückt geworden. Sammler haben es so an sich, über ihre wirtschaftlichen Grenzen hinauszugehen, wenn sie meinen, ein Stück unbedingt zu brauchen.

Was haben Sie sich denn damals gekauft?

Ploil: Ein Jugendstil-Möbel, das Koloman Moser entworfen hat.

Haben Sie Ihr Konto dafür überzogen?

Ploil: Ja, ich war damals ganz jung als Anwalt tätig und ohnehin verschuldet. Ich habe alles verpfändet, was ich hatte, und einen großen Kredit aufgenommen. Aus heutiger Sicht war es eine meiner vernünftigsten Taten.

Herr Kovacek, gehen Sie auch an die Grenzen?

Kovacek: Ich habe mich 20 Jahre lang mit musealem Glas beschäftigt und in dieser Zeit natürlich immer wieder bedeutende Glasobjekte erworben. Diese Gegenstände konnte ich aber nicht in meine Sammlung stellen, weil ich ja von ihrem Verkauf gelebt habe. Ich habe zu Hause sicher schöne Möbel und schöne Bilder. Aber das ist eine Einrichtung.

Es heißt immer, man muss nicht viel Geld ausgeben, um Kunst zu kaufen. Aber eigentlich braucht man schon ziemlich viel davon, oder?

Kovacek: Man braucht Geld, keine Frage. Man kann maximal mit Glück in einer Galerie das Bild eines ganz jungen Künstlers um drei bis fünfhundert Euro kaufen.

Aber dann ist es wohl eher Glückssache, ob das Bild auch etwas wert ist, oder?

Kovacek: Das kann nur Glück sein. Wenn man einen Gerhard Richter (teuerster Gegenwartskünstler, Anm.) gekauft hätte, als er 20 war, hätte man damals, im Gegensatz zu heute, wenig dafür bezahlt. Wobei man auch sagen muss: Seine frühen Arbeiten kosten auch heute nicht das, was seine späteren Arbeiten kosten. Das ist auch bei Schiele so: Wenn Sie eine Schiele-Zeichnung aus 1907 kaufen, kostet das vielleicht 5000 bis 15.000 Euro. Spätere Arbeiten kosten dann aber schon 200.000 bis 500.000 Euro. Heutzutage sind Eigentümer und Interessenten aber schon so gut informiert, da gibt es solche Glücksfälle nicht mehr.

Zur Person

Michael Kovacek und Ernst Ploil (beide 66 Jahre alt) gründeten 1992 zusammen mit anderen das Wiener Auktionshaus „Im Kinsky“ und stehen diesem als Geschäftsführer vor. Kovacek ist Kunsthändler, Experte für Glas und Gemälde und Gründer der gleichnamigen Galerie in der Spiegelgasse. Ploil ist Jurist und Rechtsanwalt in der Kanzlei Ploil, Krepp, Boesch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.