Michael Tojner: "Auf zwei Freunde kommen acht Feinde"

(c) Stanislav Jenis
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Seit er Anfang 20 gewesen ist, habe ihm keiner mehr gesagt, was er zu tun hat, sagt der österreichische Unternehmer und Millionär Michael Tojner. Der Preis sind viele schlaflose Nächte, Stress und ständige Erreichbarkeit.

Die Presse: Wir wollen mit Ihnen über Geld sprechen, das ist auch Ihr Spezialgebiet. Sie sind ein waschechter Selfmademillionär. Das ist selten in Österreich.

Michael Tojner: Ich bezeichne mich als Unternehmer, nicht als Geldvermehrer. Ich habe immer Dinge unternommen, ob der Antrieb Geld war oder nicht. Mit dem Erfolg kommt dann natürlich auch der finanzielle Erfolg.

Bei Ihnen recht früh: Mit Anfang zwanzig hatten Sie Ihre erste Schilling-Million verdient.

Das stimmt, und das Motiv war Freiheit. Die Alternative wäre gewesen, neben dem Studium hinter der Bar zu arbeiten. Das wollte ich nicht. Mit einem Freund hatte ich die Idee, ein Eisgeschäft aufzusperren. Das war meine erste größere unternehmerische Aktion. Es wurde ein durchschlagender Erfolg.

Wieso gerade ein Eisgeschäft?

Die Aufgabenstellung war: geringstmöglicher Kapitaleinsatz, ein Produkt mit geringstmöglichem Wareneinsatz, ein Platz mit höchstmöglicher Frequenz. Es wurde ein mobiles Eisgeschäft vor dem Schloss Schönbrunn. Mit 300.000 Schilling konnte ich fünf Eisstände kaufen, damit haben wir eine Firma mit 20 Mitarbeitern gegründet.

Für einen jungen Menschen ist das viel Geld, das man wohl eher nicht in den Sand setzen möchte.

Es ist eine Summe, die man, wenn es wirklich schiefgeht, gerade noch zurückverdienen kann. Die Erste Bank hat mir das damals geborgt. Heute würde ein Student diese Summe eher nicht mehr bekommen, man brauchte ja mittlerweile auch eher an die 80.000 Euro. Ich habe mir damit die Freiheit erworben, die Projekte zu machen, die mir Spaß machen und von denen ich überzeugt bin. Von diesem Moment an hat mir keiner mehr gesagt, was ich beruflich zu tun habe.

Klingt angenehm.

Ich habe immer das gemacht, was ich für richtig hielt. Das ist der größte Wert des Geldes: Freiheit.

Als Unternehmer hat man auch viel Verantwortung. Schränkt das nicht die Freiheit ein?

Gerade habe ich mit Stefan Koubek Tennis gespielt. In dem Moment, in dem wir uns zum Kaffee hingesetzt haben, ist Hektik ausgebrochen, weil laufend Anrufe hereinkamen. Das ist der Nachteil am Unternehmertum: Man hat viel Verantwortung und ständig irgendwelche Dinge laufen. Natürlich schränkt das die Freiheit ein. Man kann nicht auf Urlaub fahren und einfach sein Telefon ausschalten wie ein Angestellter. Ich habe 5000 Mitarbeiter, das ist eine Riesenverantwortung. Wie für eine Familie.

Früher waren Sie vor allem Finanzunternehmer, jetzt werden Sie zum Industriellen. Warum diese Veränderung?

Mit dem Eisgeschäft habe ich ganz gut verdient, ich habe den ersten Versandhandel Osteuropas aufgezogen, den heutigen Interio gegründet, Diskotheken und ein Kaffeehaus gehabt. Erst dann fing ich mit dem Venture Capital an. Wir haben über 50 Firmen gestartet. Das ist die größte Form des Unternehmertums – in der Öffentlichkeit wird man aber abgetan als Finanzhai. Die Idee für die heutige Bwin hatten wir in einer Sauna am Arlberg. Als wir sie an die Börse brachten, hatte sie elf Mitarbeiter. Heute sind es allein in Wien fast 1000. Später habe ich meistens mit dem Geld Dritter gearbeitet: Versicherungen, Banken, Privatinvestoren. Das schränkt die unternehmerische Freiheit ein. Heute habe ich so gut wie keine Investoren mehr, abgesehen von den Banken, die mir Kredite geben.

Haben Sie schlaflose Nächte?

Die schlaflose Nacht ist für einen Unternehmer eher die Regel als die Ausnahme. Es geht früh los und bis in den Abend hinein. Man hat auch ständig Sorgen, weil man in der Kette der letzte Verantwortliche ist.

Woher weiß man, ob man die richtige Entscheidung trifft?

Man muss als Unternehmer viel Entscheidungsfreude haben, konsequent sein, auch zu Fehlentscheidungen stehen. Nicht verzweifeln, wenn es einmal schiefgeht. Diesen Mut und das Selbstvertrauen muss man mitbringen, das kann man nicht lernen.

Haben Sie für irgendwann den Ausstieg geplant?

Ich halte es mit einem Satz von Hannes Androsch: Ich arbeite nicht, sondern bin aktiv. Ich werde wohl weitermachen, bis ich das Zeitliche segne.

Muss es einem als Unternehmer egal sein, ob man beliebt ist?

Wenn mir das wichtig wäre, hätte ich schon auswandern müssen. Ich schätze, auf zwei Freunde kommen acht Feinde. Das ist leider ein europäisches Paradoxon – der Erfolgreiche ist nie beliebt.

Also braucht man eine harte Schale.

Das glaube ich schon. Nehmen Sie Dietrich Mateschitz: Er ist 70, und erst jetzt hat die Öffentlichkeit begonnen, sich zu bedanken. Weil er den Formel-1-Grand-Prix zurück nach Österreich geholt hat. Dabei hat dieses Unternehmertum, das er praktiziert, schon immer auch wichtige Nebeneffekte für die Öffentlichkeit gehabt.

Haben Sie das Unternehmertum von zu Hause mitbekommen?

Meine Mutter ist Volksschullehrerin, mein Vater hatte eine kleine Installateursfirma. Da habe ich Unternehmertum im kleinen Ausmaß mitbekommen. Das hat mir schon sehr geholfen.

Was machen Sie privat mit Ihrem Geld?

Das meiste Geld steckt in der Firma, ich habe kein großes Privatvermögen. Mir macht es Spaß, mit dem Industrieunternehmen Geld zu verdienen und damit Immobilien zu entwickeln.

Keine luxuriösen Hobbys?

Nein, Kitesurfen, Tennis spielen, Ski fahren. Ich habe kein Schiff, kein Flugzeug.

Sie sind ja für eine Erbschaftssteuer, das ist eher selten unter Unternehmern und Managern.

Arbeitseinkommen müssen entlastet werden, aber ich bin für eine politische Gegenfinanzierung: eine Erhöhung der Grundsteuer und eine Erbschaftssteuer. Die Herkunft soll nicht entscheidend sein dafür, wie sich das spätere Leben entwickelt. Das ist nichts anderes als fair. Ich bin aber für eine Zweckwidmung der Erbschaftssteuer für die Bildung. Damit schaffe ich einen klaren Ausgleich.

Wie bringen Sie Ihren Kindern den Umgang mit Geld bei?

Wir sind sehr altmodisch zu Hause, wir spielen DKT. Wir führen einen guten Lebensstil, aber keinen luxuriösen. So hoffe ich, gut rüberzubekommen, dass es wichtig ist, Verantwortung zu übernehmen. Und dass es nicht reicht, nur zu erben und zu glauben, man kann sich ein lockeres Leben machen.

Würden Sie Ihrer Tochter einen Kredit geben, wenn sie ein Unternehmen gründen möchte?

Ich habe mir mit 18 ein Auto gekauft, auf Kredit. Der Vater gab mir eine Kleinigkeit dazu, den Rest habe ich mir durch Fahrtendienste dazuverdient. Ich pendelte von Stadt Haag nach Wien und hatte immer vier Studenten mit. Für 40 Schilling. Ich würde ihr helfen, aber es ihr nicht einfach machen. Ich würde ihr Eigenkapital geben, den Rest soll ihr die Bank borgen. Damit sie ein bisschen Druck hat und die Konsequenz spürt, wenn sie scheitert. Natürlich würden wir ihr in diesem Fall helfen. Mein Vater hätte mir die 300.000 Schilling wahrscheinlich auch borgen können – aber er wollte nicht.

Sind Sie ihm heute dankbar?

Ja, auch dafür, dass er das Auto nicht bezahlt hat. Das ist einfach eine andere Schule, die man da durchläuft. Ich hoffe schon, dass meine Kinder ein bisschen etwas vom Unternehmertum ihres Vaters erben. Ohne Erbschaftssteuer. [ Novotny ]

ZUR PERSON

Michael Tojner (48) studierte Betriebswirtschaft und Jus und schloss beides mit einem Doktorat ab. Seine Firma Global Equity Partners war an 54 Start-up- und Hightechfirmen beteiligt und brachte etwa Bwin an die Börse. Heute konzentriert sich Tojner vor allem auf den Industriekonzern Montana Tech. In den Schlagzeilen war er zuletzt mit seinen umstrittenen Plänen für den Umbau des Areals um das Hotel Intercontinental am Wiener Heumarkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2014)

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