Bloggerin Alizadeh: „Ich würde am liebsten puristisch leben“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bloggerin Madeleine Alizadeh sprach mit der „Presse“ über ihr Engagement für Flüchtlinge und über überflüssigen Konsum. Zudem erklärte sie, warum ihr Leben nicht nur aus Selfies besteht.

Die Presse: Sie sind eigentlich Bloggerin, haben sich in den vergangenen Wochen aber sehr stark für Flüchtlinge engagiert. Warum war es Ihnen wichtig zu helfen?

Madeleine Alizadeh: Zum einen war es wichtig, mir meines Bildungsauftrages als Bloggerin bewusst zu werden und meine Stimme als Sprachrohr einzusetzen. Zum anderen war es schlichtweg wichtig, als Mensch zu helfen.

Woher kam Ihr Antrieb?

Ich war in Traiskirchen und habe mich selbst von der Situation überzeugt. Ich konnte einfach nicht mehr wegschauen.

Wie sehr hat Sie die Arbeit mit den Flüchtlingen frustriert?

Sehr! Helfen ist nicht so romantisch und leicht, wie man sich das immer vorstellt. Es gibt so viele Hürden, so viele Situationen, in denen man merkt, dass politische Entscheidungen komplett sinnbefreit getroffen werden.

Wie leicht ist es, ins „normale“ Blogger-Leben zurückzukehren?

Im August war ich bis zu dreimal pro Woche in Traiskirchen, jetzt aber muss ich mich wieder mehr meinem Job widmen. Ich versuche aber, im Hintergrund weiterhin finanzielle Mittel, Wohnungen und Förderungen für geflüchtete Menschen zu organisieren. Natürlich fällt es mir nicht leicht, mich mit Kosmetika zu beschäftigen, wenn Menschen gleichzeitig mit existenziellen Problemen kämpfen. Man muss lernen, die Tür ab und zu zuzumachen, sonst zerfrisst einen der Weltschmerz. Deswegen versuche ich, eine gesunde Balance zwischen meinem „normalen Job“ und meinem Engagement für Flüchtlinge zu schaffen.

Nun können Sie seit ein paar Jahren vom Bloggen leben. War das geplant?

Gar nicht, das war ohne Kalkül, ohne Absicht. Ich war vier Monate in Asien unterwegs und wusste nicht so recht, was ich mit meinem Leben anfangen soll – eine klassische Selbstfindungsreise. Ich habe ein kleines Reisetagebuch geführt und meine Familie up to date gehalten. Später habe ich auf einer Demo, es ging um die Familienbeihilfe, Fotos gemacht. Und zu Hause habe ich mir gedacht, ich mache einen Blog und lade die Fotos hoch.

Wie wurde Bloggen zum Beruf?

Als ich angefangen habe, gab es den Beruf hier noch nicht. Eher im englischsprachigen Raum. Die ersten Jahre habe ich vor mich hingebloggt. Meine Mama hat es gelesen und peinliche Kommentare hinterlassen. Irgendwann habe ich gemerkt, dass Firmen auf Blogger aufmerksam werden. 2012 habe ich die erste Einladung zu einer medienbegleiteten Reise bekommen. 2013 fing ich an, so richtig Geld zu verdienen.

Worüber Sie bloggen, war nicht von Anfang an klar?

Am Anfang ging es um Bücher oder Restaurants, wenig um Mode. Aber die Nachfrage war groß. Es gab Blogger, die immer ein „Outfit of the Day“ posteten, das wollte ich dann auch machen. Bis ich vor zwei Jahren wieder eine andere Richtung eingeschlagen habe. Seither promote ich nur noch nachhaltige Mode.

Warum?

Mir ist einfach bewusst geworden, dass ich im Internet eine ernome Reichweite habe. Vor zwei Jahren habe ich durch Instagram gescrollt und festgestellt, dass viele Blogger über billige Mode berichten, weil sie sich die leisten und daher viele Outfits posten können. Es spricht aber gegen jede Zelle in mir, nur blinden Konsum zu propagieren. Darum habe ich mich gefragt, warum versuchst du nicht, dich nach Alternativen umzuschauen?

Wie kann man sich Ihren Job vorstellen? Bekommen Sie Produkte zugeschickt und die Firmen erwarten einen Bericht?

Ja, so ist es. Bei mir fällt inzwischen aber fast alles flach: Ich habe keine Adresse auf meiner Homepage stehen. Die Firmen müssen mich also anschreiben, und ich frage, was sie mir schicken wollen. Wenn ich damit nichts anfangen kann, nehme ich die Sachen gar nicht an. Jetzt, da ich auf nachhaltig und vegan Wert lege, fällt vieles weg, weil es in dem Bereich nicht so viel gibt. Es gab aber Zeiten, in denen ich zehn Packerln am Tag bekommen habe.

Was machen Sie, wenn Ihnen die Produkte nicht gefallen?

Wenn etwas schlecht ist, schreibe ich nicht darüber. Ich bin kein Medium, das Dinge aufdecken will. Ich bin aber schon kritischer geworden. Daher werde zu vielen Dingen nicht mehr eingeladen.

Suchen Sie die Produkte aus, oder kommen Firmen zu Ihnen?

Manchmal kommen Firmen zu mir und sagen: „Wir haben kein Budget, um etwas zu bezahlen. Aber du kannst dir etwas aussuchen, und wenn dir etwas gefällt, kannst du darüber schreiben.“ Wenn das kleine, nachhaltige Labels sind, die von den Rahmenbedingungen her reinpassen, nehme ich das an. Ich borge mir aber auch oft nur Sachen aus und schicke sie wieder zurück. Denn ich will einfach nicht so viel zu Hause haben. Ich hatte einen Schrank mit Kosmetikprodukten, die mich bis 2020 versorgt hätten.

Was haben Sie mit den Produkten gemacht?

Ich spende 70 Prozent der Sachen, und den Rest behalte ich, schenke ihn meiner Mama oder einer Freundin. Ich würde am liebsten puristisch leben, in einem weißen Raum mit zwei Schachteln. Ich hatte jede Woche zwei neue Paar Schuhe und zehn neue Beauty-Artikel. Das war auch der Grund, dass ich gesagt habe, ich will das nicht mehr.

Wie überprüfen Sie, ob Mode fair produziert ist?

Man kann sich entweder auf Zertifikate verlassen. Oder bei kleinen Labels, die sich keine Zertifikate leisten können, vertraue ich darauf, dass sie unter fairen Bedingungen hergestellt werden. Das Problem hat man erst, wenn jemand wirklich groß und günstig produziert. Denn dann muss man sich fragen, wie funktioniert das?

Sehen Sie sich als verlängerten PR-Arm von Unternehmen?

Sicher. Blogger sind keine Journalisten, sondern Popstars. So wie PR-Agenturen irgendwelchen Promis Sachen schicken, die sie dann auf Instagram posten, genauso ist es mit Bloggern. Sie sind in gewisser Form eine Werbeagentur. Wenn ich Posts für Firmen mache, schreibe ich ein Konzept, arbeite mit Fotografen und Videomakern zusammen. Das ist ein Werbeprojekt, nur persönlich interpretiert.

Wie viele Mode- und Lifestyle-Blogger gibt es in Österreich, die davon leben können?

Mit mir vielleicht zwei, drei.

Es gibt international Blogger, die Millionäre sind. Ist das ein Ziel, das Sie erreichen wollen?

Dass ich reich werde, glaube ich nicht. Ich bin zufrieden und habe in den ersten zwei Quartalen mehr verdient als vergangenes Jahr. Eine steigende Tendenz ist gut.

Leisten Sie sich abseits der Mode irgendwelchen Luxus?

Das hängt von der Definition von Luxus ab. Mein ganzes Leben ist Luxus, dass ich in Wien lebe, dass ich selbstständig bin, dass ich entscheiden kann, mich vegan zu ernähren. Privat habe ich mich von den meisten Luxusgütern befreit.

Ist dieser aufgedrängte Konsum nicht anstrengend?

Ja, als Blogger beschäftigt man sich viel mit First-World-Problems. Für einen Außenstehenden hört sich das total banal an, weil man denkt, du machst dein Geld mit Selfies und Cocktailempfängen. Aber in Wirklichkeit ist es ein Beruf, in dem man sich viel persönlich auseinandersetzt und oft vor der Diskrepanz steht, dass der meist-gelikte Content der ist, in dem du irgendwelche neuen Sachen herzeigst und dein perfektes Leben darstellst – und andererseits immer perfekt sein musst. [ Clemens Fabry ]

ZUR PERSON

Madeleine Alizadeh (26) stammt aus Wien. Sie studierte zunächst Politikwissenschaft und Ethnologie, bevor sie auf Design Engineering umschwenkte. An der Mode-Uni in Mailand machte Alizadeh ihren Master. Ihr Blog dariadaria.com zählt zu den bekanntesten Österreichs. Als eine von wenigen kann sie hierzulande vom Bloggen leben. Dariadaria hat monatlich eine Viertelmillion Zugriffe, auf sozialen Kanälen erreicht sie über 90.000 Fans.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

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