Die fatale Franken-Spekulation

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Die Schweizer Nationalbank stützt den Euro seit der Vorwoche nicht mehr. Eine Hiobsbotschaft für heimische Franken-Kreditnehmer. Denn sie haben seit Anfang 2000 riesige Kursverluste erlitten.

Wien.Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat den festgesetzten Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro in der Vorwoche überraschend aufgehoben. Zuletzt hat sich die Kapitalflucht aus der Eurozone in den Schweizer Währungsraum extrem verstärkt. Zuvor hatte die SNB mit massiven Stützungskäufen den Kurs manipuliert, sodass der Euro stets über 1,2 Franken notierte.

Die Folge der abrupten Aktion: Der Wert des Euro stürzte zum Franken extrem ab, derzeit notiert er bei 0,99 Franken (Stand: Sonntag). Es ist eine Hiobsbotschaft für jene, die noch einen Fremdwährungskredit im Schweizer Franken halten. Die Betroffenen mussten ohnehin schon während der Finanzkrise hohe Währungsverluste auf ihren Büchern mit ansehen. Mittlerweile haben diese Verluste dramatische Ausmaße erreicht, mit denen wohl kaum jemand gerechnet hat.

Hohe Verluste

Dass der Euro nur noch 0,85 Franken wert sein könnte (zwischenzeitlich war der Euro zuletzt auf dieses Rekordtief gefallen), damit hat schon gar niemand gerechnet. „Die Presse“ hatte im März 2012 Berechnungen angestellt, was mit den Franken-Krediten passieren würde, würde die SNB ihre Stützungskäufe aufgeben und der Euro auf 0,8 Franken fallen. Einige Finanzexperten und vor allem Finanzberater haben den Artikel damals stark kritisiert mit der Begründung, dass ein derartiger Wechselkurs nie möglich sein könne – und man unter den Franken-Kreditnehmern unnötig Angst schüre. Heute ist aus dem Schreckensszenario Realität geworden. Der Schweizer Franken hat sich, Stand heute, als fatale Finanzierungswährung erwiesen.

Ein Szenario: Ein Kreditnehmer hat im Jänner 2000 ein Franken-Darlehen (zum Kurs von 1,6) im Gegenwert von 200.000 Euro aufgenommen. Heute liegt der Eurokurs bei rund einem Franken. Die Kreditschuld macht daher aktuell nicht mehr 200.000 Euro aus, sondern rund 320.000 Euro. Das ergibt einen (Buch-)Kursverlust von 120.000 Euro.

In der Zwischenzeit hat der Kreditnehmer zwar im Vergleich zu einer Euro-Finanzierung weniger Zinsen bezahlt. Die Zinsersparnis macht aber in Summe knapp 33.000 Euro aus. Unter dem Strich steht der Franken-Schuldner also mit 87.000 Euro unter Wasser. Jene Kreditnehmer, die das Darlehen bald zurückzahlen müssen, haben ein großes Problem. In diesem Fall existieren die Verluste nicht nur auf dem Papier, sondern werden bald realisiert.

Bei längeren Restlaufzeiten können die Franken-Schuldner zumindest hoffen, dass der Euro langfristig zum Franken wieder an Wert gewinnt. Das ist allerdings eine sehr langfristige Perspektive. Warum?

Damit der Franken-Schuldner des vorhin erwähnten Darlehens von Anfang 2000 ohne Verlust aussteigen kann, müsste der Euro auf 1,37 Franken, also um 37Prozent, ansteigen. Einen so hohen Wert hatte der Euro seit 2010 nicht mehr. Aber wer kann heute schon vorhersagen, ob der Euro zum Franken auch in den nächsten Jahren wieder ansteigen wird?

30 Mrd. Euro ausständig

Ein konträres Szenario: Der Euro fällt zum Franken weiter ab und notiert nachhaltig auf einem Niveau von 0,8 Franken. Dann würde die Kreditschuld nicht mehr 200.000 Euro ausmachen wie zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme, sondern 400.000 Euro. Die Schuld hätte sich also verdoppelt. Experten und Finanzberater würden jetzt wohl wieder einwerfen, dass ein solches Wechselkursszenario völlig utopisch sei und dem „fairen Wert“ (also jenem Wert, der realwirtschaftlich gerechtfertigt wäre) komplett widersprechen würde. Dass sich die Finanzmärkte wenig um „faire Werte“ scheren, haben die Kreditnehmer aber in den vergangenen Jahren nun deutlich erfahren.

Unangenehm für die Franken-Schuldner ist, dass sie derzeit rein vom Wechselkurs abhängig sind, denn auf einen großen Zinsvorteil im Franken können sie nicht mehr setzen. Die Eurozinsen sind durch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) stark zurückgegangen. Der Euro-Referenzzinssatz Euribor (drei Monate) liegt bei 0,06 Prozent. Der Franken-Zinssatz Libor notiert bei minus 0,37 Prozent. Das macht eine Zinsdifferenz von lediglich 0,43 Prozent. Bei einem 200.000-Euro-Kredit erspart sich der Franken-Schuldner aktuell nur 75 Euro monatlich (bei einer Kreditmarge von 1,5 Prozent). In den Jahren vor der Finanzkrise lag die Zinsersparnis noch bei 350 bis 400 Euro.

In Österreich haben rund 150.000 Personen einen Franken-Kredit ausständig, das ausstehende Volumen dieser Darlehen macht rund 30 Mrd. Euro aus. Sie werden von ihrer Bank schon bald unangenehme Post erhalten. Die Kreditinstitute, von denen sich während der Finanzkrise ein Großteil als schlechter Partner für die Kreditnehmer erwiesen hat, könnten die Franken-Kreditnehmer wieder unter Druck setzen. Denn die Banken haben ein intensives Interesse, die Schuldner vom Franken- in den Euro-Kredit zu locken. Die Kreditinstitute müssen nämlich für die aushaftenden Franken-Darlehen infolge des Euroverfalls viel Kapital hinterlegen. Das ist teuer.

In den vergangenen Jahren haben einige Banken von ihren Franken-Kreditnehmern mehr Sicherheiten verlangt mit der zusätzlichen Drohung, den Franken in einen Eurokredit umzuwandeln. Zum aktuellen Zeitpunkt wäre das für viele Kunden eine mittlere Katastrophe, sie würden zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt massive Kursverluste realisieren. Dürfen die Banken auf diese Weise gegen die Kreditnehmer vorgehen? Nein. Zwangskonvertierungen von Darlehen sind nicht erlaubt. Und „die Banken dürfen von ihren Kunden nicht mehr Sicherheiten verlangen“, sagt Peter Kolba vom Verein für Konsumenteninformation. (ker)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)

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