Hillary und der Hass

Sie ist derzeit en vogue: die Ansicht, dass Clintons Unbeliebtheit letzten Endes auf Frauenhass zurückzuführen sei. Tauglicher Erklärungsansatz oder unzulässige Unterstellung?

Salon.com, „Slate“, „Huffington Post“, „New Yorker“, „The Atlantic“ – kaum ein linksliberales Medium in Amerika, das in den vergangenen Wochen die Leser nicht darüber aufgeklärt hätte: Die Ablehnung Hillary Clintons laufe letztlich immer darauf hinaus, dass sie eine Frau ist. „It boils down to misogyny.“ Auch in der „Presse“, freilich kein linksliberales amerikanisches Blatt, schrieb Gastautorin Sibylle Hamann: „Hinter vielen elaborierten inhaltlichen Vorwänden gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin versteckt sich häufig nur eines: banaler Frauenhass.“

Als jemand, der eine ganze Reihe elaborierter Vorbehalte gegen Clinton hat (ohne deswegen Donald Trump für einen guten Kandidaten zu halten), überzeugt mich diese Analyse nicht. Schon allein deshalb, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Kinder der Tea-Party-Bewegung, die vor acht Jahren Sarah Palin als ihre Heldin auf den Schild gehoben haben und nun die Kerntruppe der Clinton-Hasser bilden, in der Zwischenzeit geschlossen zu Frauenfeinden geworden sind.

Kann es sein, dass der Pauschalvorwurf der Misogynie einen inneren Zusammenhang hat mit dem feministischen Argument, dass man Clinton wählen muss, weil sie eine Frau ist? Und wer sie nicht wählt, das dann wohl nur aus demselben Grund tun kann?

Dennoch sollte man die frauenverachtende Sprechweise nicht verharmlosen, der man im Umfeld von Anti-Clinton-Rallyes begegnet. „Trump that bitch!“-Poster sind da noch das harmloseste Beispiel. Aber: Das Bedenkliche ist der Hass, nicht der frauenverächtliche Ton, den er unweigerlich annimmt, wenn er sich gegen eine Frau richtet. Wenn jemand einen Mann als Schlappschwanz bezeichnet, ist das eigentliche Problem dahinter auch nicht der Männerhass. Einer Gesellschaft, die weiter friedlich zusammenleben will, kann es nicht egal sein, dass Hass zur Normalsprache wird, in welcher Ausprägung auch immer.

Natürlich gibt es Frauenhasser und Frauenverächter auch in den USA, und nicht wenige Männer, die ihre Jobsicherheit durch Frauen, die nicht Hausfrau bleiben wollen, bedroht sehen. Aber genauso, wie der Hass gegen Trump nicht darauf hinausläuft, dass er ein Mann ist (obwohl viele seiner Fehler männlichen Stereotypen entsprechen), ist wohl auch bei Clinton der Hassgrund eher in dem Milieu zu finden, für das sie steht: eine Elite, die man wirtschaftlich, moralisch und in der persönlichen Sicherheit als zudringlich erlebt – und die einem erklärt, dass Kritik an ihr selbst letzten Endes darauf hinausläuft, dass man einen Charakterfehler hat.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

(Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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