Glaubensfrage

Gerechtigkeit für Kardinal Müller!

Gerechtigkeit für Kardinal Müller! Der aus der Glaubenskongregation Davongejagte übt Kritik am Papst. Ganz und gar unrecht hat er nicht.

Diesen Stil könne er nicht akzeptieren. Wort des gebürtigen deutschen Kurienkardinals Gerhard Ludwig Müller in der „Passauer Neuen Presse“ vor wenigen Tagen. Gemeint waren nicht unbotmäßige Fragestellungen im Interview. Adressat der Kritik war niemand Geringerer als Müllers Mitbruder im Petrusamt. Vor einer Woche hat Papst Franziskus ja in einem beispiellosen Akt dem Präfekten der Glaubenskongregation das Mandat entzogen, Pardon, nicht verlängert. Unprätentiös ausgedrückt: Mit Schimpf und Schande hat er den Vertrauten Benedikts XVI. davongejagt. Innerhalb einer Minute habe ihm sein Vorgesetzter die Entscheidung mitgeteilt, ohne Gründe dafür zu nennen, klagt Müller nun.

Gründe gibt es genug. Das weiß natürlich auch Kardinal Müller, der mit seinen 69 Jahren für römische Verhältnisse noch zu jung zum Pensionistendasein ist. Aber wenn sich ein Mann wie Papst Franziskus für Gerechtigkeit und Frieden einsetzt, hat er dafür nicht auch im eigenen Haus zu sorgen? Bei aller berechtigter Kritik an der Kritik Müllers am Kurs, den der Papst gegenüber Geschiedenen eingeschlagen hat, die zivilrechtlich eine neue Ehe geschlossen haben: Sollte sich nicht auch ein Santo Padre an Konventionen halten, wie sie im sonstigen Leben üblich sind? Weshalb hat er es nicht der Mühe wert gefunden, die Abberufung zu begründen? Weshalb hat er die Öffentlichkeit über das Warum nicht informiert? Darf Kardinal Müller nicht unterstellt werden, dass es ihm als nicht unbedeutendem Theologen (alter Schule, natürlich) um Wesentliches gegangen ist, nicht um persönliche Animositäten? Ob es, auch wenn zum neuen Kurs mit der Abkehr vom generellen Kommunionverbot keine Alternative besteht, Papst Franziskus nicht doch ganz gut angestanden wäre, nochmals seine Argumente darzulegen? Oder existieren unbekannte Verfehlungen Kardinal Müllers, die so gravierend sind, dass der Papst durch Schweigen weiteren Schaden von der Kirche abwenden will? Wir wissen es nicht. Auch eine andere Frage drängt sich auf: Ob diese Form der Abberufung ohne öffentliches Wort des Danks dem Postulat der Barmherzigkeit zu 100 Prozent gerecht wird, das Franziskus sonst oft und schön betont? Er wird doch nicht Wasser predigen und Wein trinken!

Und da ist dann noch eine andere Sache. Müller gilt als strikter Gegner der von Rom (noch?) getrennten Piusbrüder. Der Papst hingegen betreibt eine von seinem Vorgänger zaghaft begonnene Annäherung zu ebenjener Gruppe, die wesentliche Teile des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht akzeptieren will. Theologen warnen davor, nach Regeln vatikanischer Uraltgeheimdiplomatie, eine Übereinkunft mit dieser Gemeinschaft zu schließen. Grundsätze unter dem Titel Barmherzigkeit zu verwässern könnte sich für die katholische Kirche als gefährlich erweisen. Zum Relativismus ist es dann nicht mehr weit.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2017)

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