Culture Clash

Reich und schön

Macrons Kosmetikrechnung macht kein hübsches Bild – als Symptom einer politischen Kultur, in der das Geld anderer Leute wenig Respekt genießt.

Wer schön sein will, muss leiden. Und so leidet Emmanuel Macron nun also unter Hohn und Spott. 26.000 Euro hat er in den ersten 100 Tagen Amtszeit für eine Kosmetikerin ausgegeben, auf Staatskosten. Wofür genau? Um das Geld könnte man etwa 150 Bräute aufwendig für den schönsten Tag ihres Lebens schminken. Macron wird aber doch nicht jeden Tag ein- bis zweimal für zwei Stunden vor dem Schminkspiegel gesessen sein?

Nein, er hatte wohl die Visagistin in ständiger Bereitschaft überall mit, als selbstverständlichen Teil seiner Entourage. Und dann sind 260 Euro Tagsatz gar nicht so exorbitant viel. Der Skandal liegt also nicht in einer ausgeprägten Eitelkeit des Präsidenten. Sondern in der Sorglosigkeit seines Stabs: Um die Hälfte des Betrags hätte man locker zwei gute Visagistinnen für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung anstellen können, wenn es die denn wirklich braucht. Hat man aber nicht. Weil es geht. Weil es egal ist. Weil ein Mann, der Ausgaben von 490 Milliarden Euro verantwortet, glaubt andere Sorgen haben zu dürfen. Jeder Steuerzahler hat für die präsidentielle Visagistin Natasha B. doch nur 0,04 Cent berappt. Und war das nicht immer schon so? Das Magazin „Le Point“ fügt süffisant an, dass Macrons Vorgänger Francois Hollande für sein Make-up im Monat zwar nur 6000 Euro ausgegeben hat, dafür 10.000 Euro für seine Frisur.

Dem verlorengegangenen Bezug öffentlicher Haushälter zum Geld, das andere Leute verdienen müssen, haben sich in den vergangenen Jahren nicht nur immer neue Kontrollen und Sanktionen entgegengestellt. Es hat sich auch eine ziemlich puristische Einstellung in den Medien entwickelt. Wenn die Lage gerade verkrampft ist, kann es den Ministerposten kosten, wenn man Flugmeilen für den Urlaub nützt oder den Chauffeur gebeten hat, die Ehefrau beim Einkauf zu unterstützen. Als ob es sinnvoll wäre, im selben Menschen den Politiker (mit Chauffeur) strikt vom Ehemann (ohne Chauffeur) zu trennen. Aber 26.000 Euro Steuergelder für etwas, was man auch um 10.000 haben kann, ist tatsächlich unanständig.

Was ich mir wünsche, sind daher nicht neue Regulative, sondern viele Politiker mit natürlicher Bescheidenheit. Menschen, die auch ohne ihn zu kennen, den 2200 Jahre alten Ratschlag aus dem biblischen Buch Jesus Sirach beherzigen, weil er ihrer inneren Haltung entspricht: „Mein Sohn, bei all deinem Tun bleibe bescheiden, und du wirst mehr geliebt werden als einer, der Gaben verteilt. Je größer du bist, umso mehr bescheide dich, dann wirst du Gnade finden bei Gott.“ Und beim Volk, wage ich hinzuzufügen.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2017)

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