Unreife an der Macht

Es hat Folgen, wenn die Gesellschaft das Jungsein wichtiger nimmt als das Erwachsenwerden. Gedanken zur Jugendsynode und Kavanaugh-Kontroverse.

Immer, wenn jemand beschließt, „die Jugend“ mehr in den Mittelpunkt zu stellen, legt sich meine Stirn in Sorgenfalten. Auch bei der nun zu Ende gehenden Bischofssynode in Rom. Freilich nicht wegen der öden Witze über die alten Herren, die die Jugend checken wollen. Wenn ich das Durchschnittsalter der österreichischen Bischöfe nehme – 60 Jahre –, dann sind sie nicht älter als etwa der Verwaltungsrat von Nike, kaum älter als der von Nintendo (58) und um einiges jünger als der von Apple (64).

Mein Problem liegt bei der Versuchung der Anbiederung. Seit die Werbewirtschaft draufgekommen ist, dass sich Markentreue schon in frühen Jahren entwickelt, sind junge Menschen umworben wie noch nie. Parteien, Bewegungen und Unternehmen bieten sich feil, indem sie jungen Menschen suggerieren: Ihr seid das Größte, nur weil ihr jung seid.

Irgendwie hat die Synode dann doch weitgehend der Versuchung widerstanden und sich stattdessen auf die speziellen Herausforderungen des Jungseins konzentriert. Die Jugend ist ja nicht als eigener Stand wie Frauen und Männer, Väter und Mütter, Ledige und Verheiratete, Laien und Geweihte. Sie ist für jeden Menschen ein Durchgangsstadium, dessen Herausforderungen gerade daher kommen, dass es relativ bald vorbei sein wird.

Natürlich verkümmert jede Institution ohne die Berührung mit jungen Menschen. Aber ich erinnere mich gut, dass ich als junger Mann nicht aufgrund meiner Jugend von den Erwachsenen anerkannt sein wollte, sondern aufgrund meines Erwachsenseins. Und es kommt mir vor, als würden wir dieses Konzept des Erwachsenseins verlieren und damit den Begriff und die Würdigung der Reife.

Wählen mit 16 ist dafür ein Symptom. Ein anderes Zeichen dafür war, dass im Streit um Brett Kavanaugh kaum darüber diskutiert wurde, ob das Verhalten eines 17-Jährigen überhaupt etwas darüber aussagt, ob er mit 53 ein guter Richter ist. Nicht, weil so viel Zeit zwischen damals und heute liegt, sondern weil ein Reifungsprozess dazwischen liegen sollte. Ich würde keinen Klassenkollegen heute danach beurteilen, wie er damals war.

Und immer mehr lassen wir uns von Gesellschaft und Staat wie große Kinder überwachen, umsorgen und (um-)erziehen. Stirbt also die Idee, dass wir als Erwachsene reif genug sind, die volle Verantwortung für unser Sein und Tun selber zu tragen? Diese Idee ist doch immerhin die Grundlage unserer egalitären Demokratie, weil sie uns der Notwendigkeit eines externen Erziehers – des Landesvaters oder aristokratischer älterer Brüder – enthebt. Daher meine Sorgenfalten.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.