Von zu großen und zu kleinen Badehosen

Von zu großen und zu kleinen Badehosen und anderen Entgleisungen. Haben wir Deutsche einen besonders miesenGeschmack?

Als meine Frau und ich einmal während einer Zypern-Reise beobachteten, wie eine britische Reisegruppe aus einem Bus stieg, da waren wir uns einig: In Sachen Kleidung sind die Briten, sagen wir mal, eigen. Ein solches Spektakel aus pastell- und khakifarbenen Kombinationen und erstaunlichen Kopfbedeckungen war uns noch nicht untergekommen.

Nun ist es gewiss unfair, den Kleidungsgeschmack der Menschen ihrer Urlaubsgarderobe nach zu beurteilen. Denn kramt nicht ein jeder beim Kofferpacken ein paar Stücke aus den Tiefen des Kleiderschranks, die er wohl kaum je beim ersten Rendezvous anziehen würde? Da triumphieren Laisser-faire und Bequemlichkeit über alle Gebote der Ästhetik – ein Trend, der noch bestärkt wird durch den Siegeszug der sogenannten Funktionskleidung, die sicher prima funktioniert, aber selten was fürs Auge ist. Doch es ist schon ein erhebendes Gefühl, wenn jemand auf dieser Gratwanderung den Geschmackskompass noch sichtbarer verloren hat als man selbst, nicht wahr?


An die Briten in Zypern musste ich denken, als mir unlängst eine Ausgabe der „Kronen Zeitung“ in die Hände fiel: Unter der Überschrift „Was im Urlaub am meisten nervt“ prangt auf dem Cover die Karikatur eines dummdreist grinsenden, fetten Mannes im Liegestuhl, dem ein Handy im Bund der übergroßen schwarz-rot-goldenen Badehose steckt. Darunter steht: „Schlechte Nachricht für die Deutschen: Ihre Erscheinung am Strand (Bierbauch, haariger Rücken etc.) stört die Österreicher besonders.“ Das „etc.“ wird dann im Blattinneren noch näher ausgeführt: zu knappe Badehosen, weiße Socken in Sandalen. Und bei Frauen: zu großer Bikini, unrasierte Achseln, Cellulite und Silikonausschnitt.

Ermittelt worden sei das alles in einer Umfrage eines Online-Reiseportals, an der sich laut „Krone“ „auch Tausende Österreicher“ beteiligt hätten. Resultat: „Für alle Österreicher wenig überraschend: Unter den am hässlichsten Angezogenen finden sich die Deutschen...“ Auf uns ist halt Verlass. Im weiteren Bericht folgt dann aber die Ernüchterung: Für die Deutschen hat es nur zu einer Silbermedailledes schlechten Geschmacks gereicht. Bronze ging an die Russen, diese Barbaren. And the winner is: die Briten, wusst' ich's doch! Aber ein hässlicher Deutscher ziert ein Boulevardcover natürlich weit malerischer als ein schrulliger Engländer.

Wie geht man nun als Deutscher mit so etwas um, so kurz vor dem Urlaub? Trotzig, wie immer! Meine teutonischen Rückenzotteln werde ich ebensowenig verleugnen wie meinen Akzent. Aber dass meine Frau jetzt beschlossen hat, künftig ihr Silikon besser zu tarnen, um nicht für eine Deutsche gehalten zu werden, das stimmt mich dann doch ein wenig nachdenklich.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2012)

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