Kaiser Franz Joseph

Wie Kaiser Franz Joseph sein Herz für die deutsche Sache entdeckte. Und wie Bismarck ihm einen Strich durch die Rechnung machte.

In der Nationalbibliothek ist derzeit eine Ausstellung zu sehen, „Zwischen Königgrätz und Córdoba – Meldungen, die Österreich bewegten“. Die Wahl des Titels wird so begründet: „Königgrätz 1866 und Córdoba 1978 stehen dabei für zwei Extreme österreichischer Befindlichkeit.“ Eine Schlacht mit einem Fußballspiel zu vergleichen mag eine Frage des Geschmacks sein. Wichtiger scheint mir, dass die Analogie schief ist. Sie entspringt einer charakteristischen Unschärfe österreichischen Geschichtsbewusstseins. In Córdoba spielte Österreich gegen Deutschland. In Königgrätz kämpfte Österreich gemeinsam mit Bayern, Württemberg, Baden, Sachsen, Hessen-Kassel und Hannover gegen Preußen. Es war also eher ein Krieg der Preußen gegen Deutschland. Österreich kämpfte als Präsidialmacht des Deutschen Bundes für die Erhaltung desselben.

Im 19. Jahrhundert war eine neue Macht im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland auf den Plan getreten. Sie hatte weder einen Hof noch eine Armee, weder einen Regenten noch ein Territorium. Sie war nur eine Idee, verankert in vielen Köpfen der gerade erst entstandenen Öffentlichkeit. Es war die Idee der Nation. Wer ein Bündnis mit ihr zustande bringen würde, dem gehörte die Zukunft in Deutschland.


Das wusste auch Kaiser Franz Joseph, der nach dem Verlust der Vorherrschaft in Italien dringend einen Erfolg brauchte. Eine neue Deutschlandpolitik sollte ihn bringen. 1863 lud er die deutschen Fürsten in die alte Reichsstadt Frankfurt, um eine Reform und Kräftigung des Deutschen Bundes, der Nachfolgeorganisation des Heiligen Römischen Reiches, zu erwirken. Es sollte des Kaisers großer Tag werden. Doch Bismarck machte ihm einen Strich durch die Rechnung, er ging einfach nicht hin. Und die Sache fiel kläglich in sich zusammen. Entschieden wurde der Machtkampf 1866 auf dem Schlachtfeld, Österreichs jahrhundertealte Rolle in Deutschland war nach Königgrätz ausgespielt.

Ein Spiel mit dem Feuer. Das Liebäugeln mit dem Nationalismus sollte sich bald für beide als Spiel mit dem Feuer erweisen. Denn gerade, weil die Nation zunächst nur eine hoch emotional besetzte Idee war, konnte sie rasch an die Stelle der abgelebten Religion treten. Und war die Nation nicht eine Sache des Glaubens? Wer ihr nicht angehörte, war der neue Ungläubige, an die Stelle des Ketzers trat der Nestbeschmutzer, an die Stelle der Gotteslästerung die Entehrung der Fahne. Wer für die Nation eintrat, befand sich im heiligen Krieg, Gewalt lag in der Luft.

Dieses Pulverfass zu beherrschen lag in den Händen zweier Monarchen: dort Wilhelm II., ein komplexbeladener Preuße, geltungssüchtig wie seine junge Nation. Hier Franz Joseph, ein verstockter, greiser Habsburger, der die Zeichen der Zeit nicht verstand. Das konnte nicht gut gehen.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

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