Ein Blick in die Leserbriefe

Von Zeigefingern, Mittelfingern und der Untat, halb Österreich beleidigt zu haben. Ein Blick in die Leserbriefe aus aktuellem Anlass.

Diese Kolumne hat heute ihren ersten Geburtstag. Und da es nichts Trübsinnigeres gibt, als einsam sich selbst zu feiern, proste ich lieber all jenen Leserinnen und Lesern zu, die meinen Geschichten Post und Postings gewidmet haben. Dass „diese Deutschen“ ein Thema sind, das die Österreicher nicht kaltlässt, war ja nicht zuletzt der Grund dafür, dass die Blattmacher der „Presse am Sonntag“ der Kolumne eine Chance gegeben haben. Und doch hat mich die Intensität der Reaktionen überrascht.

Nun hatte ich das Glück, dass eine Fußball-WM ins erste Jahr meiner Glosse fiel. Das gab mir Gelegenheit, mir endlich einmal etwas über Córdoba von der Seele zu schreiben, jenes immerwährende Hohelied der Schadenfreude. In den Postings gab es dazu einen köstlichen Kommentar: „Deutsche sind, auch wenn sie schon 20Jahre hier leben, großkotzig. Herrrr Krug, der Zeigefinger ist manchmal nicht besser als der Stinkefinger. Meinen haben Sie gewonnen.“ Gibt es ein treffenderes Bild für das deutsch-österreichische Fingerhakeln als den Mittelfinger hüben und den Zeigefinger drüben?

Das hat sicher ein Wiener gepostet! – werden jetzt jene Westösterreicher sagen, die mich immer wieder ermahnen, ihr Land nicht mit seiner Hauptstadt zu verwechseln. Ich arbeite daran.


Einmal habe ich mir sogar eine kleine Petition eingehandelt, weil ich Rainhard Fendrichs „I Am from Austria“ als „klebrige Anbiederhymne“ bezeichnet hatte. Der „offizielle Fendrich-Fanbetreuer“ schickte daraufhin eine lange Liste mit wütenden Mails und Postings an den Chefredakteur und forderte, ich solle mich auf der „offiziellen Facebook-Seite“ dafür entschuldigen, dass ich nicht nur Fendrich und seine Fans, sondern „halb Österreich“ beleidigt hätte. Nur halb Österreich? Also entweder neigen Fendrichs Fans zur Bescheidenheit, oder sein Stern ist bereits im Sinken begriffen.

Gefreut hab ich mich über die vielen Leser, österreichische wie deutsche, die mir ihre eigenen, oft sehr persönlichen Erlebnisse geschildert haben. Stellvertretend möchte ich eine Leserin erwähnen, die hart zwischen die Stühle geraten ist. Als Tochter einer Deutschen und eines Österreichers hat sie ihre ersten Kindheitsjahre in Deutschland verbracht.Vor sieben Jahren ist sie nach Wien gezogen, wo sie ihren Schulkollegen, vor allem den männlichen, wegen ihrer Sprechweise ein Dorn im Auge war. Die Versuche der Leserin, ihre Sprache anzupassen oder sich mit dem Hinweis zu wehren, dass sie nicht nur einen deutschen, sondern auch einen österreichische Pass hätte, halfen nichts: „Du kannstdoch keine Österreicherin sein. Entweder – oder.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Außer meinen herzlichen Dank an alle, die meiner Glosse mit ihren Kommentaren ein spannendes erstes Jahr beschert haben.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2011)

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