Vom Reiz des Wörtchens "lecker"

Oder: Sollte das österreichische Deutsch in den Lehrplänen der Schulen verankert werden? Bitte nicht!

Eine Bemerkung vorweg: Wäre ich der Überzeugung, es sei höchste Zeit, das Sackerl einzumotten, weil die Tüte das bessere Deutsch ist, dann wäre ich nicht nur ein dreister, sondern auch ein doofer Deutscher. Dieses Bekenntnis ist nötig, weil mir bei der Veranstaltung der „Initiative für Qualität im Journalismus (IQ)“, von der hier bereits die Rede war, so etwas unterstellt wurde.

Die dort gehaltenen Vorträge waren indes aufschlussreich. So erfuhr ich, dass die Österreichische Presseagentur (APA) regelmäßig alle hiesigen Tageszeitungen statistisch auswertet, um zu prüfen, wie weit der bundesdeutsche Sprachvirus schon um sich gegriffen hat. Stand der Dinge: Der Staub- hält sich wacker gegen den Puderzucker mit 370 zu 45Belegen, ebenso der Schweins- gegen den Schweinebraten. Dem Sackerl macht allerdings die Tüte zu schaffen. Einfach nicht aufzuhalten ist das Wörtchen „lecker“, wohl nicht zuletzt deshalb, weil es hierorts kein annähernd so leckeres Pendant dazu gibt: „Schmackhaft“ trifft's nicht wirklich, „gschmackig“ ist Umgangssprache, und „gut“ kann auch eine Lateinprüfung ausfallen.

Dabei versprach doch die Einladung zur Veranstaltung, man werde dort erfahren, „welche Ausdrücke und Wendungen bei uns nicht so gut ankommen“. Bei „uns“? Wer ist eigentlich dieses Wir? Die von der APA ertappten Sprachsünder gehören offenbar nicht mehr dazu. Denen muss erst beigebracht werden, dass Qualität im Journalismus zunächst einmal etwas Österreichisches ist. (Es muss ein erhebendes Gefühl sein, wenn das Ringen um das Eigene zugleich der Kampf für das Gute ist.)


Eine Lehrerin forderte, was viele Sprachpatrioten sich wünschen: Die Erhaltung des österreichischen Deutsch müsse in den Lehrplänen und Schulbüchern für den Deutschunterricht verankert werden. Tolle Idee! Und so lebensnah, ein wahres Wundermittel für sämtliche brennenden Hüte des Bildungswesens. Vorbei wäre es mit der eklatanten Leseschwäche, die kürzlich erst in einer EU-Studie den 15-Jährigen bescheinigt wurde. Auch für die Kids aus Migrantenfamilien wäre es eine enorme Hilfe, wenn das Lernziel lautete: Sprecht ja nicht so, wie die Lümmel in den Zeitungen schreiben oder wie die Köpfe im Fernsehen reden! Ja, mehr noch: Hört nicht hin, wenn die Menschen sich auf der Straße unterhalten! Denn die Journalisten verwenden all die schlimmen Piefke-Wörter ja nicht deshalb, weil sie hip und cool klingen wollen, sondern weil sie nun einmal so schreiben, wie die Menschen hierzulande sprechen.

Gegen sprachlichen Artenschutz ist prinzipiell nichts einzuwenden. Doch wer Journalisten auffordert, sich im Zweifelsfall daran zu orientieren, der nötigt sie am Ende dazu, eine Sprache zu verwenden, die nicht mehr lebt.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2011)

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