Deutscher Humor

Und es gibt ihn doch, den deutschen Humor, sogar in Preußen! Wie Loriot es geschafft hat, mich mit meinem eigenen Land zu versöhnen.

Wie der Zufall es will, habe ich erst vor Kurzem eine ganze DVD-Box mit Loriots gesammelten Fernsehsendungen durchforstet. Es war, neben viel routiniertem Leerlauf, eine Wiederbegegnung mit sagenhaft komischen Glanzstücken – und zugleich eine Reise in die eigene Vergangenheit, zu Momenten, in denen man mit seinen Eltern und Großeltern noch gemeinsam herzlich lachen konnte, obwohl sie längst die „Spießer“ waren, von denen es sich abzugrenzen galt. Dass es gerade der deutsche Spießbürger war, dem Loriot ein Lebenswerk gewidmet hat, ist das Pikante an diesen gemeinsamen Fernsehabenden.

Die Deutschen haben diesen Spiegel erstaunlich gut ausgehalten. Sicher, in dem Mann, der eine Nudel an der Backe hat, während er seiner Holden eine Liebeserklärung macht („Hildegard, sagen Sie jetzt nichts!“), hat man eher den Nachbarn wiedererkannt als sich selbst. Und der Lateinlehrer, war der nicht auch so ein Herr Müller-Lüdenscheid, der wortreich um das Recht streitet, eine Plastikente zu Wasser zu lassen, und es zugleich als gegeben hinnimmt, mit einem nackten Mann, den er siezt, die Wanne zu teilen? Aber ich bin sicher, im Grunde hat jeder Deutsche gewusst, was er da sieht. Man hat es hingenommen, weil Loriot stets mit einem verschmitzten Blick stocksteif auf seinem Sofa saß – und nie mit einem verächtlichen.


Wie viele Norddeutsche hatte Loriot es eher mit der Skurrilität der Briten als mit der anarchischen Sinnlichkeit der Süddeutschen. Britisch war nicht nur sein Hang zum feinen Tweed und zum vornehmen Understatement, britisch an ihm war, woran es uns Deutschen oft so schmerzlich mangelt: die Selbstironie. Allein dafür hat er die geradezu liebevolle Verehrung verdient, die derzeit viele Nachrufe durchweht.

Beim Wiederansehen der Sketche und Cartoons habe ich mir manchmal gedacht, wie verloren all diese sehr deutschen Figuren in Österreich, zumal in Wien, wären, ohne es auch nur zu merken. Umso mehr freut es mich, dass der Preuße Vicco von Bülow auch hierzulande geschätzt wird. Nicht zuletzt deshalb, weil die aberwitzigen Situationen, in die sich seine von ihren Zwängen geplagten Figuren verfangen, einen versöhnlichen Blick auf die markantesten Marotten meiner Landsleute erlauben. Da entpuppt sich so manche Pedanterie als innere Not, so manche Penetranz als Ausdruck purer Unbeholfenheit und unsere viel beschworene Rechthaberei als Flucht vor der eigenen Unsicherheit. Dieser Blick ist es, der mich stets damit versöhnt hat, dass Loriot als Satiriker nie und nirgends seine Krallen gezeigt hat. In seinen besten Momenten hat er mir geholfen, mich mit meinem eigenen Land zu versöhnen – und das, ohne es im Geringsten zu verklären.

dietmar.krug@diepresse.com diepresse.com/diesedeutschen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2011)

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