Von Platzhirschen und echten Mannsbildern

Oder: Warum Günther Nenning das Geweih schrumpfte, sobald er einen Deutschen hörte.

Wenn es einen Preis für den buntesten aller Vögel gäbe, dann gebührte er Günther Nenning. Als „Rot-Grün-Hellschwarzen“ und „rosaroten Monarchisten“ hat er sich selbst bezeichnet. Ausgestattet mit einem Ego so groß wie die Alpen, war es offenbar sein Ehrgeiz, ganz Österreich unter sein Geweih des „Auhirschen“ zu vereinen.

1992 hat Nenning Folgendes geschrieben: „Ich hasse die Deutschen. Der Magen dreht sich mir um, wenn ich in meinem Wien, in meinem Salzkammergut, in meinem Tirol Deutsche reden höre – dieses deutsche Deutsch, das dem Österreicher sofort Minderwertigkeitskomplexe eingibt, es klingt alles so kompetent und effizient, und wenn's der größte Blödsinn ist.“ Natürlich gibt es auch die ganz anderen Deutschen, und für die gilt: „Am meisten hasse ich die kultivierten Deutschen, die mir auch noch recht geben, ja, wir sehen es ja ein, sagen sie, dass wir Deutschen immer schon böse Menschen waren und bleiben werden, da haben sie dieses sanfte, warme Deutsch drauf, das noch viel ekliger ist als das Kommandodeutsch.“

Dabei war Nenning auch ein bekennender „Nationalösterreicher und Kulturdeutscher“ und als solcher ein glühender Verehrer deutscher Denk- und Dichtkunst, aber die packte er auch noch mühelos unters Geweih: „Ich liebe die Deutschen. Ich streiche nächtlich meine Bücherreihen entlang, von Hölderlin bis Brecht und wieder retour. Das deutsche Geisterreich ist eine zu ernste Angelegenheit, um es den Deutschen zu überlassen. Wir müssen die Deutschen an Österreich anschließen.“


Das Erfrischende an Nennings Hasserklärung ist das Eingeständnis ihres Motivs: ein Minderwertigkeitskomplex, der sich bei diesem Universalösterreicher zu einer narzisstischen Kränkung auswachsen musste. Es war ein sehr männliches Ego, das da litt. Das Geweih, das Nenning bei der Au-Besetzung vor den Kameras trug, kam nicht von ungefähr. Er war der Platzhirsch in seinem deutsch-österreichischen Gespensterreich. Eine Frau untersolchem Geweih ist schwer vorstellbar, nur Männern schwillt oder schrumpft so humorlos das Horn, sobald das „deutsche Deutsch“ sie schreckt.

Der Befund deckt sich mit meiner persönlichen Erfahrung. Alle rabiaten deutschfeindlichen Ausfällekamen hierorts von Männern, und sie waren stets durchtränkt von jener Mischung aus Aggression und Wehleidigkeit. So auch kürzlich wieder in der „Wiener Zeitung“, wo ich immerhin in den Rang eines überheblichen „Teutonen“ erhoben wurde. Es ist kein Zufall, dass solche Ausbrüche in letzter Zeit seltener werden. Der gepflegte Komplex landet allmählich gemeinsam mit den „gestandenen Mannsbildern“ auf dem Misthaufen der Geschichte.Wer heute noch röhrt wie ein Rot-weiß-rot-Wild, wirkt nur noch albern. Was für ein Segen.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2011)

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