Ist Mozart Österreicher?

Ist Mozart nun ein Österreicher oder ein Deutscher? Warum meine Landsleute hin und wieder über jedes Maß hinausschießen.

Kurt Scholz hat unlängst in der „Presse“ seinem Ärger Luft gemacht. In einem „Quergeschrieben“ vom 31. Jänner empörte er sich über ein Buch, das unter dem Titel „Deutsche in Venedig“ ungeniert auch lauter Österreicher wie Freud, Grillparzer oder Karl Kraus auftreten lässt. Ich verstehe Scholz‘ Unmut, zumal seine Erregung in keinen patriotischen Abwehrkampf mündet, im Gegenteil: „Es hat den Beigeschmack des Provinziellen, bei jeder Gelegenheit das ,gute Österreichische‘ hervorzukehren.“ Wie wahr!

„Wo ich bin, ist Deutschland“, hat Thomas Mann gesagt, als ihn die Nazis ins amerikanische Exil getrieben hatten. Sein Werk erscheint im Frankfurter Fischer Verlag, der bis heute die Reihe „Deutschland erzählt“ herausgibt, 1991 hatte sie noch den Untertitel „von Rilke bis Handke“. Bis Pragund Kärnten soll es also reichen, dieses erzählende Deutschland. In Frankfurt, der alten, symbolträchtigen Reichsstadt, erscheint auch Deutschlands große konservative Tageszeitung, die „FAZ“. In ihr hat Literaturpapst Reich-Ranicki einst sein Dogma von der einen und unteilbaren deutschen Literatur verkündet, der einzigen Heimat, die er je gehabt habe.

Wenigstens in der Sphäre des Wortes sollte die deutsche Welt noch heil sein, ihre „verspätete Nation“ lag kaum mehr als 70 Jahre nach ihrer Gründung wieder geteilt in Trümmern. Hier lebt er noch in vollen Zügen, dieser ewige deutsche Unwille gegen Grenze, Maß und Bescheidung.


Der Autor, über den Kurt Scholz sich so geärgert hat, liefert eine bemerkenswerte Rechtfertigung für seine Großzügigkeit bei der Auswahl seiner „Deutschen“: Er habe die Grenzen des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ im Blick gehabt (das, nur nebenbei, zu Freuds und Karl Kraus‘ Zeiten schon längst nicht mehr existierte). Das erinnert mich an den Protest einiger Leser, als ich einmal die Anmaßung des ZDF, auch Mozart unter die „größten Deutschen“ zu reihen, als dummdreist bezeichnet hatte. Mozart sei ein Untertan des Römisch-Deutschen Reiches gewesen, hieß es da, er habe sich selbst als Deutschen bezeichnet, und seine Geburtsstadt Salzburg sei zu seinen Lebzeiten noch gar kein Teil Österreichs gewesen.

Wer durchs historische Monokel blickt, der sollte nicht vergessen, was ihm da im Auge klemmt. Der Begriff „deutsch“ ist nach 1945, nach dem großen Sündenfall im Namen der Nation, einfach nicht mehr derselbe wie davor, ja, er hatte schon im 19.Jahrhundert, der Epoche des Nationalen, einen völlig anderen Klang als zu Mozarts Zeiten.

Ich habe selbst Geschichte studiert, aber ich nehme mir die Freiheit des Gegenwärtigen, einen Musiker, der in Salzburg geboren und in Wien zum Weltkünstler wurde, als Österreicher zu bezeichnen.

dietmar.krug@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2012)

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