Von Mutterkult und Schürzenangst

Von Mutterkult und Schürzenangst oder: die Gabe, von einem Hassobjekt zu lernen. Über Maria Theresia und den Alten Fritz, Teil 2.

Eigentlich hätte Kaiserin Maria Theresia das Zeug dazu gehabt, eine Ikone der Frauenbewegung zu werden. Eine mächtige Kriegskoalition war in ihr Land eingefallen und stellte die weibliche Erbfolge infrage, als die 23-Jährige völlig unvorbereitet den Thron bestieg. Das Haus Österreich war in seiner Existenz bedroht, und es verdankte seine Rettung der Entschlossenheit und Lernfähigkeit dieser jungen Frau.Dass sie nicht zur Heroin der Emanzipation wurde, ist in dem Mutterkult begründet, den ihre katholische Nachwelt um sie gesponnen hat. Und hatte die Kaiserin, die ihr Reich mehr als ein Dutzend Mal vom Wochenbett aus regierte, sich nicht selbst als von Gott erkorene „Mutter ihrer Völker“ bezeichnet?

Doch die Mütterlichkeit dieser von Jesuiten erzogenen Frau blieb in der „Familie“. Protestanten ließ sie stiefmütterlich umsiedeln, und Juden empfing sie nur verborgen hinter einem Vorhang.

Preußens Friedrich, ihr großer Antipode, hatte für Frauen rein gar nichts übrig. Einer „Schürzenverschwörung“ sah er sich ausgesetzt, bestehend ausder Kaiserin, der Zarin und der Mätresse des französischen Königs, Madame Pompadour. Nach seinem ersten Sieg über die Österreicher gönnte sich der Spötter eine Provokation an die Adresse der jungen Habsburgerin, als er im Dankgottesdienst einen Paulus-Vers verlesen ließ: „Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie sich über den Mann erhebe.“


Doch je länger diese energische Frau regierte, desto mehr wuchs Friedrichs Respekt vor ihr. Da er ihr niepersönlich begegnet ist, fragte er jeden über sie aus, der sie getroffen hatte. Und kam zu dem Schluss: „Sie muss eine eigenartige Frau sein, mehr männlich als frauenhaft.“ Ein größeres Komplimentkonnte sie aus seinem Mund nicht bekommen.

Auch die Kaiserin beobachtete ihren verhassten Gegner genau, denn sie war klug genug, um zu wissen, dass ihr Haus Österreich nur eine Zukunft hatte, wenn es von dem kleineren, aber weit effizienteren preußischen Staat lernte. Hier, und nicht etwa in einer aufgeklärten Gesinnung, lagen die Motive für ihre ohnehin halbherzigen Reformen in Verwaltung, Justiz und Schulwesen.

Friedrich Heer, der Beschwörer eines Österreichaus dem Geiste des Barock, sah in diesen Reformen „Prozesse, welche die österreichische Psyche zerstörten“; die Orientierung an der preußischen Bürokratie und an der „deutschen evangelischen Buch-Bildung“ habe einen eindimensionalen Typus geschaffen, der „immer deutscher“ wurde.

Hätte Maria Theresia auf einen Berater wie Heer gehört, dann wäre ihrem Reich zwar das unsanfte Erwachen aus dem barocken Dornröschenschlaf erspart geblieben. Aber dann hätte dieser schwerfällige Vielvölkerkoloss von einem Staat wohl kaum seine Herrscherin noch nahezu anderthalb Jahrhunderte überlebt.

dietmar.krug@diepresse.com DiePresse.com/diesedeutschen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2012)

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