Vom Kopfballungeheuer zum Frauenschwarm

Gegen einen deutschen Fußballer hilft offenbar nur noch eines: Voodoo-Zauber.

Kennt eigentlich noch jemand Horst Hrubesch? Der legendäre Stürmer des Hamburger SV schoss 1980 im EM-Finale seine ersten beiden Tore für das deutsche Nationalteam – und machte es zum Europameister. Er trug den Spitznamen „Kopfballungeheuer“, böse Zungen behaupten, so sah er auch aus. Herbert Prohaska hat ihn in der „Sonntags-Krone“ als „einen der besten Mittelstürmer aller Zeiten“ bezeichnet und ihm eine Liebeserklärung gemacht: „Für einen Deutschen war Horst ungewöhnlich sympathisch.“

Transparente mit der Aufschrift „Horst, du hast die Haare schön“ hat man bei Hrubeschs Auftritten eher selten gesehen. So etwas bleibt seinem Nachfolger Mario Gomez vorbehalten, der in der erwähnten „Krone“ auch das Cover zierte, als Frauenschwarm mit entblößtem Sixpack. Krasser könnte der Imagewandel kaum sein: Der deutsche Kicker ist sexy geworden, der vierschrötige Kampf-Teutone, vor dem niemandes Knochen sicher sind, ist mittlerweile ebenso ein Sportfossil wie Herbert Prohaska. Und das in Österreich!


Derzeit sorgt eine Werbekampagne eines Wettanbieters für Aufregung, in der eine Voodoo-Puppe im deutschen Trikot mit Stecknadeln traktiert wird. In den einschlägigen Foren haben sich viele meiner Landsleute über die Werbung empört, der österreichische Werberat hat die Kampagne bereits gerügt. Ich glaube, vor zehn Jahren hätte sie mich auch noch massiv geärgert. Aber inzwischen ist das doch nur noch ein augenzwinkernder Kommentar zu einem Phänomen, dem immer mehr Österreicher, wenn überhaupt, nur noch selbstironisch anhängen. In Deutschland gibt es die Kampagne übrigens in einer anderen Variante, da trägt die Puppe das orangefarbene Trikot des Erzrivalen Holland. Also eines dürfte nach dem Match am Mittwoch feststehen: Auch beim Voodoo-Stechen zahlt sich deutsche Gründlichkeit aus.

Großes ist im Gange. „Presse“-Chefredakteur Michael Fleischhacker hat ja schon während der WM 2010 öffentlich bekannt, er habe nach vierzig Jahren seinen „fußballerischen Deutschenhass“ aufgegeben. Mit der Frage „Kann man die Deutschen lieben?“ hat unlängst der „Falter“ auf dem Cover einen Beitrag zur EM angekündigt.

Liebe, Hass und Voodoo-Zauber – wenn's um uns Deutsche geht, backen die Österreicher keine kleinen Semmeln. Dass die großen Gefühle jetzt unverblümt beim Namen genannt und nicht mehr verkniffen ausgelebt werden, ist das beste Zeichen dafür, dass sich hierorts etwas entspannt. Der Fußball ist nur die emotionale Spielwiese, der Wandel geht tiefer. Gegen die Deutschen zu sein wird uncool. Der Piefke-Komplex setzt Patina an, Österreichs junge Generation braucht ihn nicht mehr fürs Identitätsgefühl. Ein Narr, wer das bedauert!

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2012)

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