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Trotz MeToo: Comeback eines Serienstars auf Netflix

Jeffrey Tambor
Jeffrey TamborAPA/AFP/ANGELA WEISS
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Von Amazon wurde Jeffrey Tambor nach Missbrauchsvorwürfen gefeuert, Netflix stärkt ihm den Rücken. Konsequent wirkt das nicht.

Hier ist, was wir wissen: Jeffrey Tambor spielt(e) zwei populäre Serienrollen: Den transsexuellen Familienvater im Drama „Transparent“, produziert von Amazon, und den wegen Korruption inhaftierten Familienvater in der Sitcom „Arrested Development“, produziert von Netflix. Von Kolleginnen bei beiden Produktionen gibt es Vorwürfe gegen ihn, bei Amazon wegen angeblicher sexueller Belästigung, bei Netflix wegen jähzorniger Umgangsformen. Letztere gab Tambor zu, erstere weist er zurück. Die Ergebnisse einer internen Untersuchung hielt Amazon unter Verschluss, entschloss sich aber, Tambor zu feuern, um „die Sicherheit und Würde“ aller Beteiligten zu gewährleisten. Die fünfte Staffel von „Transparent“ wird ohne ihn gedreht. Netflix dagegen stellte sich dezidiert hinter ihn. Die fünfte Staffel von „Arrested Development“ startet heute – und könnte das Post-MeToo-Comeback des Image-geschädigten Tambor sein.

Nun denn, könnte man argumentieren, am Netflix-Set dürfte schließlich außer ein bisschen Geschrei nichts Gröberes passiert sein: Wozu die Aufregung, die derzeit durch Branchenblätter und soziale Netzwerke geht? Warum die empörten Kommentare in amerikanischen Medien, warum dieser Aufschrei von Serienfans?

Weil die Geschichte zeigt, dass in Hollywood aggressives Männerverhalten immer noch gern beschönigt wird, wenn Aufregung darüber gerade nicht zur Strategie passt. In einem Gruppeninterview, das die „New York Times“ zum Staffelstart mit den Darstellern von „Arrested Development“ (darunter auch Tambor) führte, kam Tambors Verhalten zur Sprache: Er hatte zugegeben, verbal auf Jessica Walter, die seine Serienfrau spielt, losgegangen zu sein. Die männlichen Kollegen, allen voran Hauptdarsteller Jason Bateman, wurden nicht müde zu betonen, dass es in der Unterhaltungsindustrie nun einmal „schwierige Leute“ gebe, dass der Schauspieljob „atypisches Verhalten“ provoziere, dass da jeder einmal ausfällig werde – während Jessica Walter unter Tränen entgegenhielt, dass das nicht stimme: „In den fast 60 Jahren meiner Arbeit hat mich nie jemand am Set so angeschrien.“

Die Schauspieler haben sich inzwischen dafür entschuldigt, im Eifer ihrer Solidaritätsaktion mit Tambor die Aussage Walters heruntergespielt zu haben. Die Geschichte zeigt aber auch, wie intransparent und inkonsequent bei Netflix nach Missbrauchsvorwürfen vorgegangen wird. Als jene gegen Kevin Spacey laut wurden, schloss man ihn von der Erfolgsserie „House of Cards“ aus; wenig später wurde eine geplante Sendung mit Louis C. K., der Frauen sexuell belästigt haben soll, gestrichen; dann feuerte Netflix den „The Ranch“-Darsteller Danny Masterson, dem Vergewaltigung vorgeworfen wird, und einen Produzenten, der die Vorwürfe als unglaubwürdig bezeichnet hatte; im März trennte man sich vom „Fuller House“-Produzenten Jeff Franklin wegen „unangemessenen Verhaltens“.

Im Fall Tambor war Distanzierung offenbar kein Thema für Netflix: Man stärkte ihm den Rücken, band ihn prominent in die PR-Arbeit für „Arrested Development“ ein. Mittlerweile hält man das bei Netflix wohl nicht mehr für eine gute Idee: Eine Pressetour nach London wurde nach dem „New York Times“-Interview abgesagt.

E-Mails an: katrin.nussmayr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2018)

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