Keine Frontfrauen und Frontmänner in Friedenszeiten bitte!

Vielleicht ist es noch nicht zu spät für das Plädoyer gegen einen ungeschickten Anglizismus.

Selten sind Metaphern so senkrecht aufeinander gestanden: Von einer „neuen Frau an der Spitze“ (hier denkt man in der z-Richtung eines kartesischen Koordinatensystems) der Wiener Grünen las man Dienstagfrüh in der Meldungsübersicht von orf.at, von einer „neuen Frontfrau“ (also in einer Richtung der xy-Ebene) war dann in der Meldung die Rede.

Wohl wissend, dass auch „Die Presse“ die Wörter Frontmann und Frontfrau schon verwendet hat, darf hier behauptet werden: Es sind ungeschickte Anglizismen, die sich, ähnlich wie der Personalstil und der Ausnahmekünstler, allmählich ins Deutsche eingeschlichen haben. Und zwar sozusagen via Rock 'n' Roll. Der Duden definiert den Frontmann heute noch nur als „Musiker, der (als Sänger) in einer Gruppe im Vordergrund agiert“. (Die im Alphabet davor stehende Frontfrau wird nur mit einem „vgl. Frontmann“ abgefertigt.)

Diese wörtliche Übersetzung aus dem Englischen hapert allerdings: In diesem heißt „front“ ganz allgemein die Vorderseite, etwa der Bühne, aber auch des Körpers oder Kopfes, das lateinische „frons“ bedeutete ursprünglich auch Stirn. Im Deutschen hat die Front – mit Ausnahme der Häuser- und der Wetterfront – primär militärische Bedeutung. So ist es kein Wunder, dass die ersten Bands, denen in den späten Achtzigerjahren in deutschsprachigen Texten ein Frontmann mit Doppel-n zugeschrieben wurde, Vertreter von Genres mit militanter Anmutung waren, also vor allem solche aus Metal und Hardcore-Punk. Dass Combos mit Namen wie Manowar, Warhead oder gar Agnostic Front einen Frontmann beschäftigen, mag schon seinen Sinn haben.

Aber sonst, im Sinne des Friedens: Beschränken wir bitte den Frontmann und die Frontfrau auf die kriegerischen Gefilde, vielleicht mit Ausnahme der von Brecht/Eisler im „Einheitsfrontlied“ beschworenen Arbeitereinheitsfront. Aber die klingt uns – etwa durch die Erinnerung an die real existiert habende „Nationale Front der Deutschen Demokratischen Republik“ – heute auch nicht mehr so gut in den Ohren . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2018)

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