Eine gigantische Burg im Burgtheater

Szenenbild aus „Die Bakchen“
Szenenbild aus „Die Bakchen“Burgtheater (Andreas Pohlmann)
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Die erste  Saison unter der Intendanz von Martin Kušej wurde mit einer Tragödie des Euripides eröffnet. Ulrich Rasche inszenierte „Die Bakchen“ als Ergötzung und Belehrung am laufenden Band.

Martin Kušej hat in der Vorbereitung auf sein Amt des Burgtheaterdirektors dekretiert, dass man jenes Haus unter ihm nicht mehr „die Burg“ nennen dürfe. Intern will er für diesen Verstoß sogar ein Bußgeld von zehn Euro verhängen. Entsprechend groß war am Donnerstag bei der ersten Premiere unter Kušejs Intendanz die Neugier, was sich sonst so verändert habe am österreichischen Nationaltheater, das nunmehr nach seinem Willen auch ein Wiener Internationaltheater sein soll. Man betrat das Burgtheater in gespannter Erwartung und sah, als sich der Vorhang zur von einem Streichquintett und einer Schlagzeugerin flankierten Bühne hob – eine Burg. Besser gesagt, gewaltige Schanzen, die zu solch einer führten.

Jedenfalls konnten sich Liebhaber attischer Tragödien das vorstellen, denn gespielt wurde ein Spätwerk des Euripides, die „Bakchen“. Es handelt  in der mittelgriechischen Stadt Theben, in die Dionysos, aus Kleinasien kommend, zu einem Strafgericht herabsteigt. Die skeptische Verwandtschaft dort ließ es am nötigen Respekt fehlen. Sie bezweifelte seine Göttlichkeit. Also richtet er in seinem Geburtsort allerlei Unheil an. Unter anderem wird der Palast des jungen Königs Pentheus zerstört. Dann manipuliert der rachsüchtige Gott dessen Mutter und andere Bachantinnen derart, dass sie in orgiastischem Rausch den Sohn töten.

Diese allertraurigste Geschichte hat der hoch gehandelte Ulrich Rasche inszeniert. Er sollte nun trotz all der dionysischen Brutalität glücklich sein. Nicht nur, weil die fast dreieinhalb Stunden dauernde Premiere ausgiebig gefeiert worden war. Sondern vor allem auch, weil er die Bühne mit einer gigantischen Maschine ausstatten durfte, einem Wunderwerk der Hydraulik, auf dem sich sechs sicherlich je ein  Dutzend Meter lange, flexible Laufbänder befinden. Genauer gesagt sind es Schreitbänder, denn auf diesen Schanzen bewegen sich gemessenen Schrittes, unter Gepauke, Gefidel und Kunstnebel  die Protagonisten sowie der Chor, den Text in der für Rasche typischen Sprachmahlerei deklamierend. Jedes Wort findet auf ganz eigene Art der Absonderung Bedeutung.

Der Abend war offenbar ein voller Erfolg. Warum das so ist, sollten möglichst rasch die Theaterkritiker und Adabeis klären. Wir aber kehren noch einmal zurück nach Theben. Die Stadt hatte, wie jeder antike Tourist weiß, sieben Tore (Troja laut Homer nur zwei), dazwischen dicke Mauern. Dahinter verschanzten sich die Nachfahren des Kadmos in ihrer Burg. Nicht um die Burg hätte man diese wehrhaften Griechen dazu gebracht, ihre Feste als großes Festspielhaus mit international-dionysischen Performances samt barbarischen Übertiteln zu bezeichnen.

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