GEGENgift

Hausvögte, Buhlen, Zimbeln und Windlichter

Fast vergessene Bezeichnungen aus dem Herbst des Mittelalters machen viel vom Reiz des „Jedermann“ aus.

Einmal im Jahr, wenn es hochkommt, begegnet er mir, für ein paar Momente nur und nicht einmal im richtigen Leben, sondern bloß im Theater. Genauer gesagt bei den Salzburger Festspielen vor dem Dom bei den moralisch lehrreichen Aufführungen des „Jedermann“: der Hausvogt. Dieses Amt ist in modernen Zeiten beinahe ausgestorben, es wird nicht einmal mehr in traditionsbewussten Parteien gebraucht, die sich mit einem Wirtschaftsflügel brüsten.

Ursprünglich war ein Vogt im Mittelalter der Rechtsvertreter eines nicht Rechtsfähigen, also optimal fürs mittlere Management der Kirche, da sie sich nicht selbst vor weltlichen Gerichten verteidigen sollte. Sie delegierte einen, der es richtete. In Hugo von Hofmannsthals Drama ist dieser Verwalter wortkarg. Einen Säckel Geldes muss er herschaffen, und schon ist er wieder weg. Was für eine Traumrolle! Der gute Hausvogt wirkt nicht durch gedrechselte Reden, sondern strahlt eine natürliche Kompetenz aus, wenn er den Dienern anschafft, Truhen voller Gold zu schleppen. Da genügt es bereits, wenn er sagt: „Ihr tut, was anbefiehlt der Herr.“

Mit den Jahren sind es diese kleineren Rollen mit fast vergessenen Bezeichnungen wie Schuldknecht, Büttel oder Vetter, die für mich den Reiz dieses moralischen Mysterienspiels ausmachen. Wer weiß in neoliberalen Zeiten noch, dass das aramäisch-syrische Wort Mammon eine Anspielung auf ungerechten Reichtum ist? Über die Evangelisten Matthäus und Lukas und vor allem die frühneuhochdeutsche Bibelübersetzung von Martin Luther wurde der Mammon zur Allegorie bösen, verführerischen Gewinns. Beim „Jedermann“ springt er aus der Truhe (die der Hausvogt heranschaffen ließ) und stellt in einer außergewöhnlichen, ja beinahe kapitalismuskritischen Rede klar, wer hier der Herr und wer der Knecht des Geldes sei.

Was wäre Jedermann ohne Buhlschaft? Freundin oder Liebste nennt er sie. Doch käme sie als Gemahlin in Betracht? Ursprünglich bezeichnete man mit Buhle meist männliche Verwandte oder Geliebte. Buhldirnen – der Begriff wurde in der Frühen Neuzeit populär – hatten anderen Aufgaben. Sie pflegten die Kunst der Verführung. Solch eine Schöne musste nicht viel sagen, sondern vor allem effektvoll mit Spielleuten und Buben auftreten. Wenn sie den Liebhaber abholt, zu seiner Pflicht führt, dann mit Zimbeln und Windlichtern. Auch diese Begriffe gibt es meist nur ein Mal im Jahr.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2017)

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