Gegengift

„Denn die Gottheit lässt den Irdischen nie ganz ohne Führer“

Schon wieder ein Jubiläum im Achtzehnerjahr. Was für einen Text von Karl Marx sollen wir diesmal lesen? Bitte nicht erneut „Das Kapital“!

Verlässlich geraten vor dem 5.Mai im Gegengift-Arbeitskreis „Postidealistischer Materialismus“ die neuerdings erstarkten Links- und Rechtshegelianer aneinander – bei der Frage, wie der Geburtstag von Karl Marx zu begehen sei. Zum 200. Jubiläum des großen deutschen Publizisten wurde bei uns in Erdberg besonders intensiv darum gerungen, worüber diesmal zu diskutieren sei. Schon wieder über das „Kommunistische Manifest“, das er mit dem klassenfeindlichen Fabrikanten Friedrich Engels verfasste? Immerhin könnte man auch diese kurze Schrift feiern, sie ist so wie „Die Presse“ 170 Jahre alt. Nein, sagten die Jüngeren. Das bringe nur ein paar jubilierende 68er auf eitle revolutionäre Gedanken. Was aber könnte würdeloser sein als ein Sit-in Altvorderer, die sich vergeblich an den Frühling erinnern wollen?

„Die heilige Familie“ von Marx und Engels, eine Entfremdung von einstigen Mentoren, haben fromme Phänomenologen zur Diskussion gestellt, dabei aber offenbar diese „Kritik der kritischen Kritik“ missverstanden. Realitätsfern auch sie! Dann wurden die „Grundrisse“ verworfen – zu roh, der Umgang mit dem Mehrwert sei ebenfalls bedenklich. Gegen das gewaltige „Kapital“, insbesondere den vollendeten ersten Band, gebrauchte ich erfolgreich ein Argument, das ich mir von Oscar Wilde ausgeborgt habe: Das Dumme am Sozialismus sei, dass er einen so viele freie Abende koste. Allerdings konnte ich mich auch nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, Wildes aparten Essay „The Soul of Man under Socialism“ zu behandeln. Also wurde es, wie so oft, ein Kompromiss.

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