Als „Der Standard“ ein bunter Haufen war

„Standard“-Chef Oscar Bronner und Springer-Chef Peter Tamm im KHM beim Fest zur Gründung der Zeitung am 18. Oktober 1988.
„Standard“-Chef Oscar Bronner und Springer-Chef Peter Tamm im KHM beim Fest zur Gründung der Zeitung am 18. Oktober 1988.R. Jaeger / APA-Archiv / picturedesk.com
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Zum 30. Jubiläum der von Oscar Bronner gegründeten Tageszeitung ein beinahe persönlicher Rückblick: Das Sowjetreich zerfiel, Parteiblätter machten Pleite, und ein paar Abenteurer in Wien bildeten sich tatsächlich ein, Journalisten zu sein.

Einmal, zu einem relativ runden Jubiläum, sei es dem Mediator erlaubt, beinahe sentimental zu werden, um persönlich von einer Zeitungsgründung zu erzählen, bei der er mitmachte. Vor 30 Jahren erschien erstmals die Wiener Tageszeitung „Der Standard“. Ich war tatsächlich einer von zwei Dutzend Redakteuren, die am Anfang dazugehörten. Auf einem Video von damals, das auf den Stiegen von Maria am Gestade vor dem damaligen Büro gemacht wurde, fällt auf, wie jugendlich sich diese Redaktion benahm – die Chefs als älteste bereits in ihren Vierzigern, viele aber noch nicht einmal dreißig. Kein Wunder also, dass die Konkurrenz abfällig von einer Schülerzeitung sprach.

Nicht ganz zu Unrecht. Der Beginn war chaotisch. Eine abenteuerliche Truppe hatte sich zusammengefunden, um mit Oscar Bronner eine unabhängige Tageszeitung zu produzieren, zu deren Vorbild maßlos überheblich die „New York Times“ erklärt wurde. Aus den USA war unser Boss, der fast zwanzig Jahre zuvor die Magazine „Trend“ und „Profil“ gegründet und sich danach der abstrakten Malerei gewidmet hatte, für sein neues Medienprojekt nach Wien zurückgekehrt. „Wir sind gegen alle“, zitierte er bei seiner ersten Rede vor versammelter Mannschaft den Direttore von „la Repubblica“.

Das stimmte nicht ganz, aber viele waren hierzulande gegen den „Standard“. Österreichische Banken, die Zusagen für Kredite gegeben hatten, zogen diese im letzten Moment zurück. Da träumte Bronner noch davon, ein liberales „Wirtschaftsblatt“ zu machen, das fünfmal die Woche erscheinen und auch Rücksicht auf das Konservative nehmen sollte. (Heute würde dies im „Standard“ wohl als reaktionär bezeichnet werden. Ein Ratgeber in der Gründungszeit war Ex-Verleger Fritz Molden, die Innenpolitik leitete Gerold Christian, zuvor Pressesprecher von Bundespräsident Kurt Waldheim.)

Der Absprung der Banken aber erwies sich als vorteilhaft. Stattdessen bot sich der Springer-Verlag als Partner an, der nach Osteuropa expandierte, dort en gros Zeitungen kaufte. Als wir unsere Arbeit im August 1988 für sogenannte Nullnummern antraten, wurden wir von Layoutern und Technikern eingeschult, die der deutsche Partner bereitstellte. Das Springer-BronnerBlatt war nicht nur lachsfarben, sondern tatsächlich fast so bunt wie die „Bild“. Die Strategie des Herausgebers, der aus der Werbebranche kam, zielte auf die für Tageszeitungen neuen Farbanzeigen ab. Er fand die passenden Nischen in einer Umbruchzeit. Nicht nur das Sowjetreich zerfiel, auch die Parteiblätter in Österreich machten Pleite.


Steirer und Genossen. Aus dieser Konkursmasse wurde rekrutiert. Bronners Vize Gerfried Sperl (er war Chef der 1987 eingestellten steirischen ÖVP-Zeitung „Südost Tagespost“ gewesen) holte Redakteure aus seinem alten Team. Dieser rastlose Blattmacher an der Seite des reserviert wirkenden Bronner erfand den Namen „Standard“. Er setzte sich vehement dafür ein, dass es bald auch einen Sport- und Chronikteil gab.

Zu den Steirern zählte auch ich. Was für eine Chance: außenpolitischer Redakteur in Wendezeiten! Und mein Bruder Thomas berichtete über Innenpolitik, ehe er zum „Eurotom“ mutierte. Das Ende der „AZ“ brachte schließlich 1991 einen linken Touch in die Redaktion. Da wurde man in der Konferenz schon einmal als Genosse tituliert.

Wesentlich für den Erfolg aber waren aus meiner Sicht Kollegen, die das Handwerk tatsächlich beherrschten. Michael Hann hatte von der APA praktisch die gesamte Wirtschaft mitgebracht. Karl Danninger führte die Oberösterreicher-Partie an und sorgte für Ausgewogenheit in der Innenpolitik. Johann Skocek machte den Sport zum Feuilleton. „Der Standard“ wurde sogar für seriöse Blätter zur Herausforderung. Dafür gebührt ihm Respekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2018)

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