Land ohne Gegenwehr: Blues der Lethargie weht in Prölls country

Erwin Pröll wird seine absolute Mehrheit am 3.März nicht verlieren. Opposition und Hauptstadtmedien helfen ihm brav dabei.

Gespräche mit Kollegen verkommen derzeit zum belanglosen Geplauder über die Seele der Niederösterreicher. So recht kann man dieses Bundesland und seine Wähler nicht verstehen – zumindest nicht aus Wiener Sicht.

Niederösterreich, das ist wie der mittlere Westen der USA. Ein immenses Flächenbundesland ohne echte Identität und ohne urbane Zentren. Wer St.Pölten für eine Hauptstadt hält, kann über Amstetten nie hinausgekommen sein. Ein Land der Pendler und der Häuslbauer. Und wenn mit dem Geld der Häuslbauer eine Milliarde Euro Verlust gemacht wird, dann regt das die niederösterreichischen Häuslbauer nicht weiter auf.

Ein Blues der Lethargie weht über das Land, und Pröll hält die Zügel fest in der Hand. Im Wahlkampf hat die ÖVP mit Frank Stronach bereits ihren politischen Gegner identifiziert und verschwendet kaum Zeit, sich mit den Mitbewerbern zu beschäftigen. Das Match wird auf ÖVP-Seite vor allem von Landesrätin Petra Bohuslav und Pröll selbst geführt. Die Grünen haben zuletzt eine Spekulationsdebatte initiiert – ein Zug, auf den die SPÖ verspätet aufgesprungen ist. In der heiklen Causa springen vor allem Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka und der ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger für Pröll in die Bresche und halten die Debatte vom Häuptling fern.

Wahlkampf wie am Schnürchen

Laut einer Untersuchung von Media Affairs zur Niederösterreich-Berichterstattung im ORF seit Anfang Jänner war die Verteilung der Parteienpräsenz in Hinblick auf die Parteigröße sogar relativ ausgewogen. Kurzum: Der Wahlkampf läuft für Pröll also wie am Schnürchen, in puncto Mobilisierungskraft kann es ohnehin keine Organisation mit seiner aufnehmen.

Und die Opposition? Jammert uns ob der politischen Härte des Pröll'schen Systems seit Jahrzehnten die Ohren voll. Aber wurden dazu je Gegenstrategien entwickelt? Nein. Und einmal ehrlich: trägt der Wolf die Schuld daran, dass die Schafe sind, wie sie sind?

Die heutige Sozialdemokratie ist ohnehin nicht für intellektuelle Schlagkraft bekannt, aber selbst innerhalb der SPÖ belegen die Niederösterreicher den letzten Platz. In der Proporzregierung haben die Roten bis heute zu keiner echten Oppositionsrolle gefunden. Bei entscheidenden Beschlüssen wurde brav mitgestimmt und auch sonst nicht aufgemuckt.

Zähnefletschende Herzlichkeit

Das Hemd ist auch den roten Funktionären näher als der Rock. Und die Grünen? Wirken mit Madeleine Petrovic in etwa so frisch, wie das Team Stronach und die FPÖ über kluge Köpfe verfügen.

Schließlich – die Medien? Sind in Niederösterreich selbst vor allem ÖVP-linientreu, während die überregionalen Qualitätsmedien noch zu keinem vernünftigen Umgang mit Pröll gefunden haben. Weder „Die Presse“ noch „Der Standard“ haben vor Ort einen Redakteur installiert. Von Wien aus aber lässt sich nun einmal kein Netz an Informanten aufbauen – und von alleine fliegen investigative Geschichten nicht durch die Türe.

Pröll selbst agiert wie eine leidenschaftliche Geliebte: Entweder umspielt er sein Opfer mit zähnefletschender Herzlichkeit oder er verstößt es und sorgt für Aufmerksamkeitsverweigerung. Doch statt Schmähung als eine Auszeichnung zu sehen, beginnt das Liebeswerben der Redakteure.

In einem Land, in dem der Durchschnitt das Maß aller Dinge ist, ist Erwin Pröll aber fast schon ein Segen. Er agiert nach dem alten Motto divide et impera und unterscheidet sich somit vom sonstigen Mittelmaß. Pröll hat Machiavelli inhaliert. Höchste Zeit, dass der Rest des Landes nachzieht.

Christina Aumayr ist Unternehmerin. Die studierte Kommunikationswissenschaftlerin war 2005 Pressesprecherin im Sozialministerium.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2013)

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