Für ein Verbot der gesamten Hisbollah

Die EU-Staaten sollten heute nicht nur einen Teil der libanesischen Terrororganisation verbieten - sondern die ganze Organisation.

Am Montag, beraten die Außenminister der Europäischen Union im Rahmen ihres Treffens in Brüssel über ein EU-weites Verbot des militärischen Flügels der Hisbollah.

Und das aus guten Gründen: Im Sommer des vergangenen Jahres beispielsweise hatte die libanesische Terrororganisation in der bulgarischen Stadt Burgas bei einem Anschlag auf einen mit israelischen Touristen besetzten Reisebus den bulgarischen Busfahrer und fünf Israelis getötet. Die österreichische Bundesregierung kündigte unlängst ein härteres Vorgehen gegen die Hisbollah an.

Die Gefahr ist nicht neu

Außenamtsstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) sagte am vergangenen Mittwoch: „Die Hisbollah-Miliz als Terrororganisation einzustufen ist ein politisches Signal der Ächtung.“

Dabei sind die Aktivitäten der „Partei Gottes“ nicht erst in jüngster Zeit eine Gefahr für Österreich und ganz Europa.

Bereits 1996 hatte sich der Hisbollah-Agent Hussein Mikdad mit einem Komplizen in Wien getroffen, um einen gefälschten britischen Pass in Empfang zu nehmen. Anschließend reiste er nach Zürich weiter und von dort nach Tel Aviv, um, als britischer Tourist getarnt, einen Terroranschlag vorzubereiten.

Der bedeutendste Gönner der Hisbollah, die es nicht zuletzt auf jüdische und israelische Angriffsziele abgesehen hat, ist die Islamische Republik Iran. Zurzeit unterstützt die Organisation das mörderische Regime Bashar al-Assads in Syrien dabei, die Opposition zu eliminieren. Im Klartext: Die Hisbollah ist eine tödliche Bedrohung für die Menschen im Nahen Osten, in Europa, weltweit.

Die EU erwägt seit dem Anschlag in Burgas, die Hisbollah als terroristische Vereinigung einzustufen – allerdings lediglich deren militärischen Flügel. Die libanesische Truppe versteht sich jedoch als monolithische Organisation, wie beispielweise Mohammed Fannish, ein Mitglied des Hisbollah-Politbüros, bereits 2002 deutlich machte, als er sagte, es gebe keine Trennung zwischen dem militärischen und dem politischen Arm.

Keine Trennung der „Arme“

Sieben Jahre später äußerte Naim Qassem, der stellvertretende Generalsekretär der Hisbollah, gegenüber der amerikanischen Tageszeitung „Los Angeles Times“: „Die gesamte Arbeit der Hisbollah in den Bereichen Politik, Soziales und Jihad hängt direkt von den Entscheidungen ihrer Führung ab. Dieselbe Führung, die über die parlamentarische und die Regierungsarbeit befindet, führt auch jihadistische Aktivitäten gegen Israel an.“

Terrorismusexperten argumentieren ebenfalls seit vielen Jahren, es gebe keine Kluft zwischen dem militärischen und politischen Flügel der Hisbollah.

Bislang haben die Niederlande, die USA, Kanada, Israel und Bahrain die Hisbollah als Ganzes sanktioniert. Großbritannien, Australien und Neuseeland haben lediglich den militärischen Flügel als terroristisch eingestuft.

Auf der schwarzen Liste

Um der von der Hisbollah ausgehenden Terrorgefahr entgegenzuwirken, planen die arabischen Golfstaaten derweil, die Organisation auf eine schwarze Liste zu setzen. Bahrain hat der Hisbollah überdies vorgeworfen, die sunnitische Monarchie mithilfe des Iran stürzen zu wollen, und sie als erste arabische Regierung als illegale terroristische Organisation klassifiziert.

Die schiitische Hisbollah positioniert sich im Bündnis mit dem syrischen Assad-Regime und dem ebenfalls schiitischen iranischen Regime deutlich gegen die sunnitische Bevölkerung in der Region.

Sollten sich die EU-Außenminister bei ihrem Treffen am Montag nur zu einem Teilverbot der Hisbollah durchringen, wäre diese weiterhin in der Lage, in Europa Geld zu sammeln und neue Mitglieder zu rekrutieren.

Dem neuen Bericht des deutschen Verfassungsschutzes zufolge sind in Deutschland 950 Hisbollah-Mitglieder aktiv, die sich landesweit in etwa 30 Kultur- und Moscheevereinen treffen. Im Jahr 2008 schrieb der Verfassungsschutz des Bundeslandes Baden-Württemberg, dass die Hisbollah „speziell in Deutschland eine fast flächendeckende Struktur aufgebaut“ habe.

Keine Waisenkinder

Wie der Terrorismusexperte Alexander Ritzmann in einer Studie der European Foundation for Democracy aufdeckte, gehört zu dieser Struktur auch der in Niedersachsen ansässige Verein Waisenkinderprojekt Libanon e. V., der eng mit der libanesischen Al-Shahid-Assoziation in Beirut zusammenarbeitet. Diese Vereinigung unterstützt finanziell die Angehörigen von Militanten und Attentätern der Hisbollah einschließlich der Selbstmordattentäter.

Deutschland ist mittlerweile geradezu eine Hochburg der Hisbollah geworden. Obwohl der deutschen politischen Klasse bewusst sein muss, dass die Vereinigung weiterhin Geld für ihre terroristischen Ziele sammelt, hat sich bislang weder der Bundestag noch das Bundesinnenministerium eingemischt. Ganz anders sieht es im Nachbarland Niederlande aus: Dort ist die Hisbollah schon seit Jahren auf nationaler Ebene als Terrorgruppe eingestuft und darf deshalb nicht mehr tätig werden.

Konten in der EU einfrieren

Die Alternative zu einem Teilverbot der Hisbollah in der EU bestünde darin, dem Beispiel der Niederlande zu folgen. Die Notwendigkeit eines Verbots der gesamten Terrororganisation ist groß, da es andernfalls weiterhin Lücken gäbe, die sie für ihre Zwecke ausnutzen könnte. Hisbollah-Anhänger könnten beispielsweise ihre Aktivitäten verschleiern, so der deutsche Verfassungsschutz. Nur wenn die Konten und Vermögen der Hisbollah innerhalb der EU eingefroren und ihre Mitglieder ausgewiesen werden, kann die EU effektiv den Menschen in Syrien helfen und den Terrorismus in Europa eindämmen.

Österreich kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Außenminister Spindelegger und die Bundesregierung haben ihre Haltung inzwischen geändert.

Die Regierung war zunächst unentschieden, hat jedoch in der vergangenen Woche neue Beweise erhalten, die deutlich machen, dass es sich bei der gesamten Hisbollah um eine terroristische Vereinigung handelt. „Die Hisbollah findet sich auf einer Liste mit Hamas und al-Qaida“, brachte es Außenamtsstaatssekretär Reinhold Lopatka in seinem Statement denn auch auf den Punkt.

Und deshalb täten die EU-Außenminister gut daran, am Montag nicht nur einen Teil der Hisbollah auf einer Liste mit der Hamas und al-Qaida zu platzieren, sondern die gesamte Organisation in Europa zu verbieten.

Auf einen Blick


E-Mails an: debatte@diepresse.comBenjamin Weinthal ist europäischer Korrespondent der Tageszeitung „Jerusalem Post“ in Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Foundation for Defense of Democracies in Washington. Zuvor hat er Studien an der New York University und der Universität Cambridge (Master of Philosophy in European Culture and Literature) absolviert. [privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2013)

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