Die Energie- und Klimapolitik Europas steckt in der Sackgasse!

Gastkommentar. Die Europäische Union bleibt mit ihrer (teuren) Klima- und Energiepolitik allein. Die USA sind mittlerweile der bessere Klimaschützer.

Als die Europäische Union ihre Energie- und Klimastrategie ausformulierte, lagen dieser Strategie einige Annahmen zugrunde. Eine Annahme war, dass die anderen Länder der Erde der EU fleißig nacheifern würden, wenn diese bei der Energie- und Klimapolitik mutig voranschreite. Ebenfalls unterstellt wurde, dass Öl und Gas in Kürze ihre maximalen Fördermengen erreichen und die Preise für Öl und Gas daher bald steigen würden. Als Konsequenz würden auch die Energiepreise für Gas und Strom weiter steigen.

CO2-Emissionen global gestiegen

Bis 2050 wurde außerdem das Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen drastisch zu senken. In den EU-Mitgliedsländern sollten diese bis dahin um 80 Prozent reduziert werden, weltweit um 50 bis 85 Prozent. Alle diese Annahmen sind nicht eingetreten, von den weltweiten Emissionszielen ist man noch weit entfernt. Die Europäische Union investiert Unsummen in den Ausbau der erneuerbaren Energie, vor allem durch hohe staatliche Förderungen für Strom aus Sonnen- und Windkraft. In Deutschland etwa zahlt ein Durchschnittshaushalt pro Jahr im Schnitt derzeit bereits 220 Euro inkl. Steuern für die Förderung von Ökostrom (in Österreich sind es derzeit 65 Euro pro Jahr). Und das alles mit geringen Auswirkungen auf das Klima. Allein die bestehenden deutschen Solaranlagen werden in den nächsten 20 Jahren mit 100 Milliarden Euro subventioniert.

Ein dänischer Wissenschaftler errechnete, das damit bis zum Ende des Jahrhunderts der weltweite Temperaturanstieg gerade einmal um 37 Stunden hinausgezögert wird. Kein Wunder also, dass Deutschland und Europa mit ihrer Energie- und Klimapolitik nirgendwo auf der Welt Nachahmer finden.

Andere Länder folgen dem Beispiel der EU bei der Verringerung ihrer CO2-Emissionen nicht. Im Gegenteil. Sie blasen sogar immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre. Insgesamt sind seit 1990 die weltweiten Emissionen um 50 Prozent gestiegen. In Indien ist der Ausstoß von Treibhausgasen im gleichen Zeitraum sogar um 198 Prozent nach oben geschnellt. In China waren es um ganze 280 Prozent mehr. Und gleichzeitig sinkt die Bedeutung der EU für das weltweite Klima immer weiter.

Durch das Wachstum der aufstrebenden Wirtschaftsmächte China und Indien verringert sich der Anteil der EU an der Weltwirtschaft kontinuierlich auf unter zehn Prozent.

Hohe Öl- und Gasvorkommen

Als grundfalsch erwies sich die Annahme, dass die Förderung von Öl und Gas bald ihren Zenit erreichen würde und danach immer weiter sinken werde. 1980 betrugen die nachgewiesenen Weltreserven an Erdöl 683 Milliarden Fass(159 Liter). Trotz eines hohen Ölverbrauchs erreichten die Reserven 2011 stolze 1,6 Billionen Fass, waren also mehr als doppelt so hoch wie 30 Jahre zuvor. Die weltweiten Erdgasvorkommen reichen laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur bei gleichbleibendem Konsum noch für fast 300 Jahre. Es kann also keine Rede davon sein, dass uns in nächster Zeit Öl und Gas ausgehen würden.

Die hohen Öl- und vor allem Gasvorräte sind zu einem wesentlichen Teil auf das Erschließen bisher unzugänglicher Vorkommen von Schieferöl und Schiefergas durch Fracking zurückzuführen. Bei Fracking werden mit hohem Druck Wasser und Chemikalien in tief liegendes Gestein gepresst. Das löste in den USA einen neuen Energieboom aus, manche bezeichnen die Vereinigten Staaten gar schon als das neue Saudiarabien.

Die Folge: Durch das viele Öl und Gas rasselten die Öl- und Gaspreise in den USA nach unten. Europa kann da schon lange nicht mehr mithalten. Gas kostet in der EU im Schnitt etwa dreimal mehr als in den USA, die Strompreise für Industrie sind in Europa etwa doppelt so hoch. Europa wird als Industriestandort zunehmend weniger attraktiv.

USA als bessere Kimaschützer

Durch den Schiefergasboom sind die Vereinigten Staaten in Sachen Klimaschutz sogar die „besseren Europäer“. Statt klimaschädlicher Kohle setzen die Amerikaner immer stärker auf Gas – bei der Strom- und Wärmeerzeugung, aber auch im Verkehr. Zuletzt wurden Erdgasfahrzeuge immer beliebter.

Davon profitiert der Klimaschutz: Denn wo Gas statt Kohle verbrannt wird, sinkt der Ausstoß von Treibhausgasen. Ein kalifornischer Energieexperte hat ausgerechnet, dass der Umstieg von Kohle auf Erdgas in den USA zu einem Rückgang der CO2-Emissionen um 400 bis 500 Millionen Tonnen pro Jahr geführt hat. Um die Dimension vor Augen zu führen: Das ist eine doppelt so große CO2-Reduktion wie durch das Kyoto-Protokoll und die EU-Klimapolitik zusammen.

Energieeffizienz kommt zu kurz

Im oft als Energiewende-Musterland bezeichneten Deutschland dagegen ist der CO2-Ausstoß weiter gestiegen. Zwar ist der Anteil umweltfreundlichen Ökostroms weiter gewachsen, doch gleichzeitig laufen klimaschädliche Kohlekraftwerke auf Hochtouren. Gaskraftwerke, die eine weit bessere Klimabilanz hätten als Kohlekraftwerke, stehen hingegen still, weil sich ein Betrieb wegen des niedrigen Strompreises und der hohen Gaspreise nicht rechnet (auch der Verbund kann davon ein Lied singen, für das Gaskraftwerk im steirischen Mellach mussten bereits hohe Abschreibungen getroffen werden).

Kohlekraftwerke dagegen sind rentabel. Denn Steinkohle ist billig von den USA zu haben (die dort lieber auf das klimafreundlichere Schiefergas setzen).

Was sowohl in den USA als auch in Europa zu kurz kommt, sind wirksame Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und höherer Energieeffizienz. Dazu genügt ein Blick auf die nackten Zahlen. Eigentlich sollten die EU-Mitgliedstaaten etwa 85 Milliarden Euro pro Jahr für Energieeffizienz ausgeben, um das Ziel bis 2020 um 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen, zu erreichen.

Tatsächlich geben die Mitgliedsländer rund 30 Prozent weniger aus. 2011 betrugen die eingesetzten Mittel der Mitgliedsländer gerade einmal knapp 60 Milliarden Euro.

Fördersysteme umbauen

Was es in Europa braucht, ist ein deutlicher Umbau der Fördersysteme für erneuerbare Energien. Eine Harmonisierung der europäischen Fördersysteme ist unumgänglich. Zudem sollte ein stärkerer Fokus auf Forschung und Entwicklung gelegt werden. Erst wenn erneuerbare Energien hinsichtlich Kosten und Effizienz mit den fossilen Energien mithalten können, werden auch Länder wie China und Indien verstärkt auf Sonne, Wind & Co. setzen. Erst dann könnte es Wirklichkeit werden, dass andere Länder dem Beispiel Europas folgen. Der derzeitige Weg dagegen führt geradewegs in die Sackgasse.

Zur Person


E-Mails an: debatte@diepresse.comWalter Boltz (*1953) ist seit 2001 Mitglied des Vorstands der österreichischen E-Control. Seit 2010 ist der studierte Physiker der stellvertretende Vorsitzende des Regulierungsrates der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER). Zuvor war Boltz in der Geschäftsführung diverser Unternehmensberatungen. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2013)

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