Ende der Milchquote: Was eine Bäuerin dazu zu sagen hat

„Ihr könnt jetzt produzieren, was ihr wollt“, sagt man uns. Das ist zynisch.

Manchmal frage ich mich schon, ob ich nicht recht dumm bin. Ich verstehe einfach nicht, warum ich mich über das Ende der Milchquote freuen soll. Unsere Interessenvertreter werden nicht müde, uns einzureden, dass der freie Markt eine Chance für uns Milchbäuerinnen und -bauern sei. Wir müssten nur mehr Milch produzieren und „größer“ werden. Es gibt dafür sogar Unterstützung.

Die Politik verspricht uns mehr Geld in Form von Investitionsförderungen. Je mehr jemand investiert, desto mehr Geld bekommt er von der EU und vom Bund zurück. Bauern sind willkommene Kunden für Kredite, weil sie immer Grund und Boden als Sicherheit haben. Es gibt auch Direktzahlungen für die landwirtschaftliche Fläche – schon wieder etwas, was dem „freien Markt“ widerspricht.

Je größer ein Betrieb, je mehr er bereit ist zu investieren, desto größer die Unterstützung aus Steuergeldern. Jährlich produziert Österreich drei Millionen Kilo Milch, eine Million geht in den Export. Das ist schön für die Außenhandelsbilanz. Unerwähnt bleibt, wie viele Tonnen Futtermittel im Gegenzug importiert werden.

Die meisten Betriebe, die jetzt noch (Kuh-)Milch produzieren, haben ihren Kuhbestand bereits erhöht. Für die größere Milchmenge haben sie Quoten gekauft. Eine notwendige Investition, die jetzt nichts mehr wert ist. Das trifft kleine Bauern genauso wie große.

Schwierige Bewirtschaftung

Ich lebe und arbeite auf einem Bauernhof im Mühlviertel. Ich liebe unsere hügelige Landschaft. Wer sie einmal gesehen hat, kann sich vorstellen, dass die Bewirtschaftung hier nicht in dem Tempo funktioniert wie in der Ebene. Und es gibt in Österreich Gegenden, in denen es noch viel schwieriger ist. Diesen Bauern zu sagen: „Ihr könnt ab jetzt produzieren, was ihr wollt!“ – ist zynisch. Selbstverständlich kann man auch im Berggebiet einen Stall für hundert Kühe bauen. Mit Soja-Import und Getreideankauf lassen sich Kühe auch dort auf Hochleistung füttern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das rentabel ist. Durch diese Mehrproduktion wird der Wettbewerb angeheizt, bei welchem gerade kleinstrukturierte bäuerliche Betriebe, insbesondere in Bergregionen, auf der Strecke bleiben.

Enttäuschende Vertreter

Brauchen wir das wirklich? Soja vom einen Ende der Welt importieren, um Milch ans andere Ende zu exportieren und dabei Arbeitsplätze auf den Bauernhöfen zu vernichten? Es gab Zeiten, da auch ich gesagt habe, dass das „Bauernhofsterben“ ein Strukturwandel sei, den auch andere Branchen durchgemacht haben – Schuster, Tischler, Greißler. Inzwischen wissen wir, dass es billige Schuhe und Möbel nur gibt, weil anderswo Leute unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten und Umweltstandards wurscht sind. Muss unsere Landwirtschaft dieses Experiment jetzt auch durchmachen?

Es stimmt nicht, dass kleine landwirtschaftliche Betriebe händisch bewirtschaftet werden. Es gibt eine Wirklichkeit zwischen Werbefilmen und Ställen mit hunderten Tieren. Es ist eine gesellschaftliche Entscheidung, wo wir hinwollen. Es geht dabei um Klimaschutz, Arbeitsplätze und die Entscheidungsmöglichkeit, was wir essen wollen.

Ich bin maßlos enttäuscht von unseren Interessenvertretern. Das Ende der Milchquote bedeutet für Betriebe wie unseren, dass wir selbst schauen müssen, wo wir bleiben. Nun liegt es an der breiten Gesellschaft, ob die regionale, ökologische und sozial gerechte Milchproduktion eine Zukunft hat.

Mag. Judith Moser-Hofstadler arbeitet als Biobäuerin in Oberösterreich. Die Österreichische Berg- und KleinbäuerInnen Vereinigung gehört zu den Mitveranstaltern der bis 24. April laufenden Filmtage zum Recht auf Nahrung „Hunger.Macht.Profite“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2015)

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