Mauthausen: Alle Macht den Ministerialräten?

Die KZ-Gedenkstätte in Oberösterreich steckt ziemlich in einer Krise.

Es ist neun Minuten vor zwölf, als ich in Mauthausen anrufe, früher Konzentrationslager, heute Gedenkstätte“, aber niemand meldet sich. Davon erzählt die Schriftstellerin Katja Petrowskaja, deren Urgroßmutter 1941 in Kiew beim Massaker von Babij Jar ermordet wurde.

Keine einzigartige Erfahrung. Die Gedenkstätte Mauthausen befindet sich in der Krise: Seit Jahren sind die Besucherzahlen rückläufig, während in fast allen vergleichbaren Gedenkstätten deutlich steigendes Interesse registriert werden kann. „Schließtage“ seit September 2014 haben nach internen Schätzungen zu einem Einbruch von 20 Prozent bei den Rundgängen geführt. Der Mangel beim Vermittlungspersonal führt dazu, dass immer wieder Besucher abgewiesen werden müssen – allein zu Beginn dieses Jahres insgesamt etwa 2500, die Hälfte davon Schulklassen. Weitere Engpässe sind absehbar.

Die Auseinandersetzung um Mauthausen schwelt seit Langem. Wie schaut eine optimale Organisationsform der Gedenkstätte aus? Wie viel und welches Personal wäre nötig? Wie soll die Ausstellung gestaltet sein? Ein eigenes Gesetz soll die Probleme lösen – und der Entwurf sorgt für Aufregung.

Die Gedenkstätte, die bisher direkt dem Innenministerium unterstand, soll in einer eigenen Rechtsform ausgelagert werden. Das könnte bedeuten: Es gibt keinen direkten politischen Zugriff mehr aus einem Ministerium.

Schwarz-rotes Paktieren

Doch der Entwurf will das Gegenteil: Er sieht die autoritäre Bestellung der Leitung durch das Innenministerium oder durch ein von Ministerien dominiertes und alles andere als unabhängiges Kuratorium vor. Das heißt auch in Hinkunft: schwarz-rote Personalaufteilung – und alle Macht den Ministerialräten. Bei der Finanzierung der Gedenkstätte sieht der Gesetzesentwurf eine erhebliche „Einwerbung“ von Drittmitteln vor – zum Beispiel durch Einnahmen aus Vermittlungsprogrammen und Vorträgen sowie, ernsthaft, aus der Ermöglichung wissenschaftlicher Forschung. Glaubt man in der Regierung wirklich, dass wissenschaftliche Arbeiten im Rahmen der KZ-Gedenkstätte nur mehr nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und der Marktkonformität durchgeführt werden sollen?

Gesetz löst keine Probleme

Über die Höhe solcherart zu erzielender Einnahmen hüllt man sich in Schweigen. Allerdings müssen sie ausreichen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Aber wie? Auch in Zeiten der Budgetkrise muss eines klar sein: Eine solide Grundfinanzierung ist für einen qualitativ hochwertigen Betrieb der Gedenkstätte unabdingbar. Da kann man sich nicht auf die Unwägbarkeiten des Drittmittelzuflusses verlassen.

Der Bund stiehlt sich hier wenig elegant aus der Verantwortung, denn es ist seine ureigene Aufgabe, die Finanzierung der Gedenkstätte zu gewährleisten. Die ausreichende finanzielle Ausstattung der Gedenkstätte ist jedenfalls weiterhin nicht gesichert. Weder Wissenschaft noch Museumspädagogik werden ihrer Bedeutung gemäß berücksichtigt. Auch die völlig unsinnige Konstruktion, dass die zentrale Verwaltung der Gedenkstätte und deren Archiv nicht vor Ort, sondern in Wien angesiedelt sind, wird ad infinitum prolongiert.

Ein solches Gesetz wird keines der Probleme lösen, unter denen der Betrieb der Gedenkstätte leidet. Der Entwurf ist selbst nur ein Symptom der Krise. Ein klares Bekenntnis der Republik zu ihrer zentralen Gedenkstätte steht an – damit beim nächsten Anruf von Katja Petrowskaja in der Gedenkstätte Mauthausen auch um die Mittagszeit jemand abhebt.

Dr. Harald Walser (geb. 1953) ist Historiker, er war Direktor des Gymnasiums Feldkirch. Seit 2008 Abgeordneter zum Nationalrat und dort Bildungssprecher des Grünen Klubs.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2015)

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