Es ist einsam geworden für die katholische Kirche

Auf verlorenem Posten. In der Gegnerschaft zur Homo-"Ehe" geht es der Kirche wie Martin Luther: "Hier steh ich nun und kann nicht anders."

Es war ein Schock für die katholische Kirche – und die Erschütterungswellen erreichen auch den Kontinent: Auf der tief katholisch geprägten Insel Irland stimmten 62,1 Prozent der Bevölkerung bei einer Volksabstimmung für die Einführung der Ehe für Homosexuelle. Die Homo-Ehe soll auch in die irische Verfassung aufgenommen werden.

Die überraschend große Mehrheit ist nicht nur einer Sympathie für den Inhalt des Referendums zuzuschreiben, sondern auch ein Ausdruck des Protests gegen eine über Jahrhunderte mächtige Kirche, die zuletzt durch Affären sexuellen Missbrauchs schwere Schuld auf sich geladen und an Achtung verloren hat. Die Argumente der Bischöfe gegen die – notabene von einer konservativen Regierung eingebrachte – Abstimmungsvorlage fielen unter diesen Umständen auf steinigen Boden.

Die Weltkirche hat durch ihre zweithöchste Stimme sofort reagiert: „Ich glaube, man kann nicht nur von einer Niederlage der christlichen Prinzipien, sondern von einer Niederlage für die Menschheit sprechen“, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Die Kirche müsse die „Realität zur Kenntnis nehmen“, aber in dem Sinne, ihre Verpflichtung zur Evangelisierung zu stärken.

Parolin kündigte an, bei der Bischofssynode im Herbst werde man alles tun, um die traditionelle Familie „zu verteidigen, zu schützen und zu fördern, weil sie die Zukunft der Menschheit und der Kirche ist“. Der Ausdruck „Niederlage für die Menschheit“ hat auch in der Kirche selbst Erstaunen hervorgerufen und Kritik gefunden.

Besonderes Echo fand die Entscheidung von Irland in Deutschland. Der Bischof von Erfurt, Ulrich Neymeyr, lehnte eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ab. Er halte an einem Verständnis fest, das Ehe „als lebenslangen Bund einer Frau und eines Mannes sieht“, sagte der Bischof. Er wolle damit das „Gute und Wertvolle“ in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht abwerten, dennoch „unterscheiden sie sich von Eheleuten, weil es ihnen von sich aus nicht möglich ist, Familie zu werden. Was nicht gleich ist, kann nicht als Gleiches behandelt werden.“

Damit ist der Kern der Frage angesprochen, um die es geht. Ist jede Unterscheidung auch Diskriminierung? Nach der Genderideologie ist sie es. Dass es überhaupt für Homosexuelle ein eigenes Rechtsinstitut gibt, nämlich in Österreich die Eingetragene Partnerschaft, sei schon eine Diskriminierung, erklärte der SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und sprach von rund 30 Unterschieden zur Ehe, die man, das meinte er damit offensichtlich, noch beseitigen müsse. Auch der Begriff Home-Ehe selbst fällt unter das Verdikt Diskriminierung, es müsse stattdessen Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare heißen. Die Political Correctness ist von eiserner Konsequenz und erbarmungslos.

Schon vor Irland hatten sich mehrere deutsche Bischöfe, darunter der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, gegen eine Erklärung des Zentralkomitees Deutscher Katholiken gewandt, das sich für eine „vorbehaltlose Akzeptanz“ gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesprochen und eine Segnung durch die Kirche verlangt hatte.

Kurs auf die Nivellierung

In Österreich haben es die Bischöfe zunächst der offiziellen Laienorganisation der Kirche überlassen, zu reagieren. Die Präsidentin der Katholischen Aktion, Gerda Schaffelhofer, hält das bestehende Rechtsinstitut der Eingetragenen Partnerschaft für ausreichend. „Insgesamt habe ich den Eindruck, dass von der früher vorhandenen Diskriminierung, die nicht gerechtfertigt war und die nun beseitigt ist, das Pendel in die Richtung völliger Gleichmacherei ausschlägt. Wenn man für Vielfalt der Formen menschlichen Zusammenlebens und für Respekt vor dieser Vielfalt eintritt, sollte man nicht alles nivellieren“, schreibt Schaffelhofer.

Der Tenor der öffentlichen Meinung zur Entscheidung von Irland ist eindeutig: Eine Niederlage für Päpste, Kardinäle und Bischöfe sei das, schrieb ein kirchennaher Kommentator in Deutschland. Wenn sie nicht einmal mehr das gläubige Volk hinter sich wissen, warum sollten ihre Argumente dann noch in Politik und Gesellschaft verfangen?

Der linksliberale französische „Monde“ meint, mit dem Ja in Irland habe die Kirche „sicherlich ihre letzte Chance verpasst, eine neue Verbindung zur Jugend zu knüpfen, für die eine Zustimmung zur Homosexuellenehe selbstverständlich ist“. Die „soziale Revolution“, von der der irische Erzbischof Diarmuid Martin nach dem Referendum sprach, „könne man nur begrüßen“. Ein Politiker der Grünen findet, die Kirche habe eine Gelegenheit versäumt, in der „Gegenwart anzukommen“.

Vernichtender Befund

Soweit der Befund. Er ist vernichtend. Wie soll die Kirche noch zu retten sein, wenn sie sich so flagrant dem Zeitgeist widersetzt? In verzweifeltem Wunschdenken wird nun bei den selbsternannten kirchlichen „Reformkräften“ die Hoffnung auf eine „Öffnung“ der Kirche, auf einen „Realitätscheck“ oder ein „Ankommen in der Lebenswirklichkeit“ genährt, die der Papst bei der Bischofssynode im kommenden Herbst erfüllen soll.

Absage an Genderideologie

Die Reformbefürworter begründen diese Erwartung unter anderem mit der bekannten Bemerkung des Papstes, wenn ein Homosexueller den „Herrn sucht, wer bin ich, ihn zu verurteilen“.

Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass Franziskus von der bekannten Position der Kirche abrücken will. „Es gibt keine einzige Äußerung des Lehramts“, das eine andere Position stützen würde, stellte der Bischof von Passau, Stefan Oster in Reaktion auf das Zentralkomitee Deutscher Katholiken fest. Auch Parolin hätte wohl nicht so gesprochen, wüsste er nicht den Papst an seiner Seite.

Franziskus hat kürzlich bei einer Generalaudienz der Genderideologie eine Absage erteilt. Die heutige Kultur habe Angst vor den Unterschieden zwischen Mann und Frau, sagte er. „Die Verdrängung der Unterschiede ist das Problem, nicht die Lösung.“

Die „Komplementarität der Geschlechter“ sei aber Voraussetzung für die menschliche Entwicklung. Der Papst begründete damit die Sonderstellung, die die Kirche – und übrigens nicht nur sie, sondern alle Kulturen der Welt – der Ehe von Mann und Frau einräumt.

Eine entscheidende Synode

Die Kirche steht damit auf verlorenem Posten. Das weiß sie. Sie wird den europäischen Trend, der in diesem Fall dem US-amerikanischen folgt, nicht aufhalten. Sie hat keine andere Wahl, aber sie kann Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie zu dem steht, was sie sagt.

Eine Chance dazu hat sie bei der zweiten und entscheidenden Session der Familiensynode in diesem Herbst in Rom. Nach der ersten Sitzung im vergangenen Oktober hat Kardinal Christoph Schönborn geklagt, man habe sich von kleinen Minderheiten einen „Tunnelblick“ aufzwingen lassen. Diesmal könnte sie den Blick weiten und wirklich über Familien und Kinder reden.

DER AUTOR

Hans Winkler war langjähriger
Leiter der Wiener Redaktion der
„Kleinen Zeitung“.

Debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2015)

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