Frankreich Anbiederung an arabische Geldbeutel

In seiner finanziellen Not ist Paris gerade dabei, Diplomatie, Waffen und anderes mehr an Golfstaaten zu verschleudern.

Während sich die Vereinigten Staaten allmählich vom Nahen Osten verabschieden, um im pazifischen Raum aktiver zu werden, wittern die Franzosen ihre Chance, mit den arabischen Golfstaaten stärker ins Geschäft zu kommen. Ging es vor einigen Jahren noch um die Eröffnung einer Außenstelle der Universität Sorbonne und des Louvre-Museums in den Petromonarchien, so mutiert Paris zusehends zum willigen Handlanger der dortigen autoritären Regierungen.

Denn mit der diskreten Annäherung der Amerikaner an den Iran seit Herbst 2012 stößt Washington die alten arabischen Waffenbrüder vor den Kopf. Frankreichs Außenminister, Laurent Fabius, hingegen übernimmt in den Verhandlungen des für Ende Juni angepeilten Atomabkommens mit dem Iran gleichsam die Rolle des Pressesprechers der Saudis und ihrer Nachbarn.

Dieses Verhalten gründet auch darauf, dass Frankreich angesichts seiner budgetären Zwangslage immer stärker von finanziellen Zuwendungen der arabischen Staatsfonds abhängig wird.

Am Tropf von Katar

Katar ist ein wesentlicher Investor in Frankreich geworden. Neben den üblichen Einkäufen in Immobilien, Firmen mit klingenden Namen und Erwerb französischer Waffen engagiert sich das Emirat Katar zudem in den Projekten der französischen Vororte. Die Kommunen in der Banlieue sind knapp bei Kasse und müssen dankbar sein, wenn die für Soziales nötigen Gelder in den Problembezirken dann eben von Katar im dreistelligen Millionenbereich vorgestreckt werden.

Nur wenige Medien in Frankreich untersuchen die dubiosen Verquickungen und berichten über das Risiko eingeschränkter Souveränität. Frankreich ähnelt hierin dem Weltfußballverband Fifa.

Als kleines Merci darf das Emirat sein erstes Kulturinstitut in Paris eröffnen, wobei man sich fragt, was auf drei Etagen eines Palais ausgestellt werden soll. Denn die Halbinsel namens Katar an der saudischen Küste verfügt zwar über sehr viel Erdgas und eine Airline, aber kulturell hat dieser Supermarkt in der Wüste wenig zu bieten. Selbst das viel gelobte Islamische Museum in Doha ist eher armselig, wenn man den Reichtum anderer Sammlungen kennt.

Zudem hat Katar seine Botschaft in Frankreich prominent am Triumphbogen positioniert. In Wien könnte selbige bald ins Palais Clam Gallas in der Währinger Straße einziehen, wo seit 1951 auf Basis eines Vertrags mit Österreich das Französische Kulturinstitut untergebracht ist. Der große Park dieser Anlage wird zudem von der Französischen Schule genützt.

Letzteres wussten die Pariser Beamten offensichtlich nicht, als sie das Gebäude für die Verkaufsverhandlungen neulich besichtigten. Seit geraumer Zeit brodeln die Gerüchte, nun scheint es fix. Das Gebäude soll an das Emirat Katar zwecks Errichtung einer neuen Botschaft verkauft werden. Das Budgetloch wird in den Außenämtern größer, also werden Immobilien abgestoßen.

Doch dieser Käufer sorgt unter den Franzosen in Wien für Unmut. Keiner der Offiziellen bezieht Stellung und der Eiertanz um den Deal gibt dem unwürdigen Schauspiel einen Beigeschmack von Ausverkauf. Dagegen versuchten monatelang engagierte Künstler, wie Bele Marx und Gilles Mussard, aufzubegehren. Mit ihrer Installation der sprechenden Bäume unternahmen sie die poetische Intervention besorgter Bürger gegen diesen Verkauf, der sich in eine fortdauernde Anbiederung Frankreichs an die arabischen Geldbeutel reiht.

Royalistischer als der – saudische – König gab sich Paris auch im Kriegsgeheul im Sommer 2013, als infolge von Chemiewaffeneinsätzen von einer westlichen Intervention in Syrien die Rede war.

Wie ungesteuerte Raketen

Damals warf sich Staatspräsident François Hollande mit Pathos in die mediale Schlacht. Er hielt an einem französischen Angriff auf Syrien noch fest, als die Vereinigten Staaten und Großbritannien bereits zurückruderten. Im Quai d'Orsay schüttelten Diplomaten den Kopf. Denn Präsident und Außenminister agierten wie ungesteuerte Raketen, auch bei der Bewaffnung syrischer Rebellen.

Doch in Katar und in Saudiarabien fand der kleine Krieger Hollande viel Beifall. Enttäuscht von den Amerikanern, die damit begonnen haben, sich verstärkt mit dem Iran in Regionalfragen auszutauschen, setzen die Feudalherren nun auf ihre neuen alten Pariser Freunde, denen sie wohl sogar auch noch den Eiffelturm abkaufen würden.

Die French Connection im arabischen Raum hat Tradition, die zum einen in der Kolonialgeschichte gründet, zum anderen vermengen sich arabisches Geld und französische Interessen seit jeher. Für Präsident Jacques Chirac öffnete der saudisch-libanesische Geschäftsmann Rafik Hariri seine Taschen. So kamen französische Geiseln in Beirut in den 1990er-Jahren frei. Und Chirac finanzierte der generöse Baulöwe eine Wohnung an der Seine. Dafür darf Sohn Saad Hariri, der sich auch kurz als Premier im Libanon versuchte, stets mit Pomp den Elyséepalast aufsuchen.

Paris verspielt sein Ansehen

Nicolas Sarkozy finanzierte mit libyschem Geld einen Wahlkampf und orderte 2011 eine Intervention in Libyen, die als humanitär verkauft, aber als Regimewechsel umgesetzt wurde und letztlich französische Erdölinteressen bedienen sollte. Katar war begeistert.

Die arabisch-französischen Verstrickungen sind Legende. Doch mit der aktuellen Budgetnot verschleudert Paris Familiensilber und rationale Politik. Denn Frankreich verspielt sein Ansehen. Man könnte es mit Faust auch den Verkauf der Seele nennen, falls Staaten eine Seele haben.

Im Juni 2013 erfolgte auf Druck Washingtons die Hofübergabe vom Schöpfer Katars, Emir Hamad bin Khalifa al Thani, an Sohn Tamim. Hintergrund war der Wunsch nach einem neuen gemäßigten Kurs, denn auch den Amerikanern war das Engagement Katars zugunsten diverser Islamisten von Libyen bis nach Syrien zu viel geworden. Der Islamische Staat, die Terrorgruppe IS, wurde zu Beginn des Krieges in Syrien von Katar mithochgezüchtet.

Eine reale Unterwerfung

Doch die Rechnung ging nicht auf, Gelder aus Katar bestimmen die vielen Stellvertreterkriege in Syrien weiterhin mit. In Paris will man von diesen Geschäftsverbindungen offenbar nichts wissen und lässt sich von unerfahrenen Freunden wie Hariri und jungen Emiren die Linie einflüstern.

Es entsteht der Eindruck eben jener Unterwerfung, die der Schriftsteller Michel Houellebecq in seinem jüngsten Roman sehr zeitnah an ein zerrissenes und finanziell von Petrodollars abhängiges Frankreich mit Galgenhumor erzählt. Es geht um die Folgen des Wahlsiegs eines muslimischen Präsidenten, Houellebecq nimmt den Ausverkauf französischer Kultur und Lebensart mit poetischer Perfidie vorweg. Man sollte den Autor noch kurz vor Schluss des Ausverkaufs an Katar ins Französische Kulturinstitut in Wien zu einer Lesung einladen.

DIE AUTORIN

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Karin Kneissl
(* 1965 in Wien) studierte Jus und Arabistik in Wien. Sie war 1991/1992 Studentin an der ENA. 1990 bis 1998 im diplomatischen Dienst, danach Lehrtätigkeit. Zahlreiche Publikationen, darunter: „Die Gewaltspirale. Warum Orient und Okzident nicht miteinander können“ (2007); „Mein Naher Osten“ (Braumüller 2014) . [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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